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Autositten-betr.: "Der Deutsche im Verkehr", taz vom 5.7.89

betr.: „Der Deutsche im Verkehr“, taz vom 5.7.89

Der als Schmähschrift überschriebene Artikel ist weder als bloße Meinungsäußerung noch als übersteigerte Stimmungsmache anzusehen, sondern entspricht der Realität auf bundesdeutschen Autostraßen, wie es aufmerksame VerkehrsteilnehmerInnen bestätigen werden. Allerdings ist er in vielem gar nicht einmal so originell und, was den historischen Aspekt betrifft, stark ergänzungsbedürftig, wie Auszüge aus Adornos 1963 erschienener Schrift Sexualtabus und Rechte heute, es zeigen:

„Die deutschen Autositten gehören wohl überhaupt zu jenen nationellen Eigentümlichkeiten, in denen etwas vom Geist des Hitlerischen Reiches sichtbar fortdauert: die Geringschätzung des Menschenlebens, von dem eine alte deutsche Ideologoie bereits den Gymnasiasten einbläute, es sei der Güter höchstes nicht. Was damals, als bloß empirisch, verachtet ward... wird... nun verachtet aus primitivsten Regungen von Selbsterhaltung, dem Drang zum Vorwärtskommen im unmetaphorischen Sinn, der Verleiblichung gesunden Erfolgswillens. Ganz unideologisch geht es freilich auch dabei nicht zu: wo einst das Sittengesetz waltete, wird nun darüber gewacht, daß man die Straßenverkehrsordnung respektiert; die Voraussetzung dafür, jemanden guten Gewissens umzubringen, ist das grüne Licht der Ampel.“

(...) Analysen des Verhaltens von Autofahrern, Schlachtenbummlern und anderen profanen Gegebenheiten, die sich jedem tagtäglich darbieten, können jedenfalls mehr aussagen als all die vielen oberflächlichen und vernebelnden Expertenstatements zum „Aufstieg“ der „neuen„“ Rechten a la Prof.Klönne.

Hubertus Illner, Soest

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