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Sarafina-betr.: "Die Stimmung ist vorzüglich", taz vom 3.7.89

betr.: „Die Stimmung ist vorzüglich“, taz vom 3.7.89

Heer verspricht den LeserInnen: „nichts gegen Sarafina!“ Dann liefert er den großen Verriß. Was ist da mit ihm durchgegangen?

In der Schlußszene tanzen die schwarzen Mädchen und Jungen einen traditionellen Kriegstanz. Für SüdafrikanerInnen ist dieses Symbol eindeutig: die antikolonialistischen Kämpfe der Shakas, Moshoeshoes und Mzilikazis im letzten Jahrhundert. Die 89er Schulkinder treten in die Geschichte des Widerstandes ein, fühlen sich eins mit den Vorfahren, die sich nie mit der Unterjochung abgefunden haben. Deswegen ist der Schritt in eine Zukunft nach der Apartheid auch gleichzeitig eine Wiedereroberung der kolonial verdrängten Vergangenheit - und umgekehrt.

Heer kramt dafür im Restbestand von Kolonialklischees herum: „Rückkehr in den Kral, die alten Tänze, die edlen Wilden. Wo ist Nelson Mandela?“ Für ihn gibt es keinen Dritt -Welt-Widerstand, in dem die kämpferischen Ahnen nicht Nostalgie sind, sondern Teil der heutigen Realität, in dem Sarafina auch Nongqawuse ist und Mandela. BRDlerInnen mag es schwerer fallen, in der deutschen Geschichte - sagen wir mal von Münzer über Luxemburg und Dutschke zu Strobl - derartig leichtfüßig hin- und herzuklettern, aber das heißt doch nicht, daß unser gebrochenes Verhältnis zur Geschichte universal oder gar normal ist.

Sarafina ist ein Musical, das nicht für Broadway und Deutsches Schauspielhaus, sondern für südafrikanische Townships entworfen worden ist. ZuschauerInnen hier müßten sich schon die Mühe machen, das Musical aus den Augen und den Ohren des Zielpublikums wahrzunehmen. Wo sie es nicht tun, projizieren sie ihre Erwartungshaltungen in Gehörtes und Gesehenes hinein; vielleicht gar mit Maßstäben, die absolut gesetzt worden sind, und mit großer Durchschaupose: „...dürftig ist das Stück, ...dünn ist seine Botschaft.“

Heer spricht „vom Kampf der sogenannten zivilisierten Welt gegen das Burenregime“. Weiß er nicht, daß schwarze SüdafrikanerInnen am eigenen Leib fast nur erfahren, wie die sogenannte zivilisierte Welt die Bothas ökonomisch und diplomatisch stützt? Ihnen scheinen westliche Anti -Apartheids-Gesten - noch - um einiges lächerlicher oder weißwäscherischer, als sie ihm scheinen.

Junge, Hamburg

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