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Nationale Frage-betr.: "Wahlkampf mit Rosa Luxemburg und Karl L.", taz vom 15.1.90

Betr.: „Wahlkampf mit Rosa Luxemburg und Karl L.“, taz vom 15.1.90

Ich finde es äußerst ärgerlich, wenn gerade in der taz schludrig und unseriös berichtet wird.

1. Es waren nicht Tausende auf dem Alexanderplatz, sondern Zehntausende standen Kopf an Kopf von der Rednertribüne bis zur Weltuhr, also eine wirkliche Massenveranstaltung.

2. Eindrücke von der Atmosphäre auf dem Platz und der Stimmung der Menschen fehlen leider in dem Bericht. Da war wirklich „das Volk“ anwesend. Sie waren freiwillig gekommen, wie immer wieder betont wurde, von sieben bis 70.

Ich war schon auf vielen Kundgebungen in Ost und West, selten jedoch hat mich die disziplinierte und entschlossene Haltung so beeindruckt; sie waren einfach glaubhaft in ihrem demokratischen Optimismus, nie wieder eine Parteidiktatur zuzulassen. Ein Kräftepotential, von dem die Linke hier bei uns noch nicht einmal zu träumen wagt!

3. Neben der scharfen Kritik an SED und Stasi fanden sich auf den Transparenten Forderungen nach der Einheit Deutschlands. Auch dies fehlt - sicher nicht zufällig - in dem Bericht. In allen Redebeiträgen wurde immer wieder auf dieses wichtige Thema, das Herz und Verstand bewegt, hingewiesen: „Rosa Luxemburg hätte bestimmt nichts gegen die Einheit!“ Naja, wie auch immer...

Ich weiß, wieviele linke Menschen sich hier mit der nationalen Frage schwertun. Nur, Selbstverleugnung und Verdrängung nützen gar nichts. Sachbezogene Diskussion und angstfreie Konfrontation mit dieser Thematik sind die einzigen Möglichkeiten, dieses Problem produktiv und fantasievoll zu lösen.

Gert Schneider, Berlin

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