: SPD bietet Berghofer (noch) keinen Posten an
■ Der Dresdener Oberbürgermeister soll sich nach seinem Austritt aus der SED-PDS erst mal beim Ortsverein melden / Auch der Robotron-Generaldirektor verließ die Partei / Zehntausende demonstrierten für Selbstauflösung der alten Einheitspartei
Berlin/Hamburg (afp/ap/dpa) - Nach dem Austritt von Wolfgang Berghofer aus der SED-PDS und Gerüchten, der Dresdener Oberbürgermeister werde zur SPD überwechseln, hat der Sprecher der DDR-SPD, Stefan Hilsberg, in einem Interview betont, seine Partei werde Berghofer keine Positionen anbieten. Er müsse sich „über die Basisgruppen“ in die Partei einbringen. Letztlich müsse dann „der Ortsverband Dresden entscheiden, ob sie ihn aufnehmen können oder nicht“. Der Vorstand der DDR-SPD habe am Sonntag beschlossen, daß „grundsätzlich in jedem Einzelfall“ die Ortsverbände über einen Parteieintritt zu entscheiden hätten. So sei die Partei „am besten in der Lage, individuell auszuwählen, wer es ernst meint oder wer nicht“. Denn es gebe „wahrscheinlich nicht unbegründete Gerüchte, daß ein großer Teil von SED-Leuten diese Gelegenheit benutzt, die SPD zu unterwandern“. Aus diesem Grund habe der SPD-Vorstand beschlossen, daß ehemalige Mitglieder der SED -PDS sich in der kommenden Legislaturperiode nicht selbständig um ein politisches Amt für die DDR-SPD bewerben können. Diese Regelung gelte für Parteifunktionen auf allen Ebenen. Hilsberg wörtlich: „Demokratie muß wachsen, und Demokratie muß man auch lernen. Es geht hier um die Entstalinisierung.“
Gemeinsam mit Berghofer waren am Sonntag weitere 39 SED -Mitglieder, darunter auch der Generaldirektor des Computer -Kombinats Robotron, Friedrich Wokurka, aus der Partei ausgetreten und hatten in einer Erklärung (siehe Dokumentation unten) die Selbstauflösung der Partei verlangt.
Auch in der Bevölkerung wird der Ruf nach Selbstauflösung der SED immer lauter. Mit einem symbolischen Massenauszug demonstrierten am Sonntag rund 20.000 DDR-Bürger am niedersächsischen Grenzübergang Duderstadt-Worbis gegen die Politik der SED-PDS. Mit Koffern in der Hand kamen ganze Familien für einige Stunden in den Westen, um der DDR -Regierungspartei mögliche Konsequenzen einer weiteren „Verschleppung von Reformen“ in der DDR vor Augen zu führen. Sie trugen Transparente mit der Aufschrift: „Diesmal gehen wir noch einmal zurück“. In Plauen hatten am Samstag 35.000 für die SED-Auflösung demonstriert.
Krenz: Einspruch gegen Parteiausschluß
Ex-SED-Chef Krenz hat gegen seinen Parteiausschluß Einspruch eingelegt. In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung verweist Krenz darauf, daß während seiner Amtszeit als Generalsekretär, Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der „friedliche und gewaltfreie Fortgang der revolutionären Veränderungen in der DDR“ gewährleistet worden sei. Gegenüber der 'Bild'-Zeitung sagte Krenz auf die Frage, ob er jetzt einer anderen Partei beitreten wolle, für ihn komme - „wenn überhaupt“ - nur eine Partei in Frage, die die Tradition der Arbeiterbewegung fortsetze. Dazu gehöre natürlich auch die SPD. „Aber ein Beitritt zur SPD steht gegenwärtig nicht zur Disposition.“ Wie es jetzt für ihn persönlich weitergehen solle, wisse er derzeit nicht.
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