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„Sozialdemokratisch“

Austrittserklärung der 40 SED-Mitglieder um Berghofer  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die alte SED und ihre Führung haben die DDR in beschämender und unverantwortlicher Weise ruiniert, politisch, wirtschaftlich und moralisch. Dadurch wurden alle Mitglieder der Partei, auch die kritischen, reformwilligen, sittlich in Verruf gebracht und ihrer politischen Heimat beraubt. Jeder Versuch, mit der Erblast der SED in dieser Partei neue Wege zu gehen, verstärkt die Angst vieler Menschen vor einer Restaurierung der SED. Wir, die wir uns persönlich aktiv für die radikale Erneuerung der SED-PDS eingesetzt haben, sehen nicht die politische Kraft dieser Partei, sich grundsätzlich zu verändern und die tiefe Krise in unserem Land an der Seite der demokratischen Kräfte mit zu überwinden. In tiefer Sorge um unser Land erklären wir, die Unterzeichner, unseren Austritt aus der SED-PDS. Mit diesem Schritt verbinden wir die dringliche Forderung, die SED-PDS aufzulösen. Wir wollen uns mit dem Parteiaustritt nicht der Mitverantwortung für die Vergangenheit entziehen. Wir wollen mitwirken an der demokratischen Erneuerung. Die Bürger der DDR brauchen Vertrauen und Mut zur Zukunft, denn noch immer verlassen Zehntausende ihre Heimat. Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, leistungsfähige Wirtschaft und kulturelle Identität sind jetzt am dringlichsten. Nur dadurch ist die politische und soziale Destabilisierung des Landes aufzuhalten. Dafür setzen wir uns ein. Wir unterstützen Hans Modrow, vor allem konsequente Schritte zu einer ökologisch orientierten sozialistischen Marktwirtschaft zu beschreiten. Zur Beschleunigung der zwingend notwendigen Wirtschaftsreform sind wir für Wirtschaftsvereinigung und Währungsunion zwischen beiden deutschen Staaten mit rascher Teilkonvertierbarkeit der Mark der DDR. Wir treten ein für das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten im Rahmen der europäischen Einheit und sind für die Herausbildung von Länderstrukturen in der DDR. Die sozialdemokratische Programmatik wird von uns unterstützt. Die Unterzeichner der Erklärung sind bereit zu demokratischer Mitarbeit in ihren Verantwortungsbereichen, solange es erforderlich ist. Es geht uns nicht um politische Ämter. Deshalb bewerben wir uns nicht um ein Mandat zur Wahl am 6.5.1990.

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