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Es geht de Mensche wie de Leut

■ Impressionen einer Berlinalebesucherin vom Affenfelsen

Die diesjährige Berlinale bietet wieder einmal die langersehnte Gelegenheit, den reichen und schönen Filmschaffenden und -wirtschaftenden beim Essen zuzusehen. Dieses tut man am besten in der stets prall gefüllten Cafeteria des CineCenters direkt über dem Pavian-Gehege des Zoologischen Gartens gelegen und auch an dieses erinnernd.

Das einfache Hühnerbein (für etwaige aus der DDR gebürtige Leser „Broilerbein“) gibt es hier umkränzt mit etwas Nudelsalat zum stolzen Preis von DM 14,50. Kein Hindernis für die betuchten Mägen der hungrigen, aus verschiedensten Gründen Akkreditierten aus aller, vornehmlich jedoch der filmindustrialisierten Welt.

So sieht man denn das lustige Völkchen mehr oder weniger zierlich an besagten Hühnerbeinen nagen, andere Speisen verzehren und besonders geschäftig und ausdauernd Kaffee und Zigaretten im Munde führen. Letzteres ist selbstverständlich Ausdruck der rastlosen Betriebsamkeit dieser Leute. Unten hetzen sich die Paviane um den Felsen, oben ringt ein jeder um Beachtung.

Ein internationales Stimmengewirr erfüllt zusätzlich zu den dichten Rauchschwaden die Luft. Am Nebentisch wird auf amerikanisch übers Filmbusiness parliert. Eins weiter macht sich jemand Notizen und gibt sich so als Journalist zu erkennen. Rosa von Praunheim irrlichtert übers Gelände, endlich jemand, dessen Metier klar erkennbar ist, was bei den anderen Personen ungleich schwerer fällt.

Nach Outfit und Körpersprache zu urteilen hat man es nur mit VIPs zu tun. Ein Blick aus dem Fenster lehrt, daß auch der Anführer der bereits eingeführten Pavianherde den stolzesten Gang und den rötesten Hintern sein Eigen nennt. Bei den Damen dominieren existenzialistisches Schwarz in Gestalt kurzer, oder, je nach Alter, langer Röcke, kombiniert mit dem obligatorischen Lippenrot und der kunstvollen Haarspange. Bei den Herren bestimmt das zerknitterte Seidensakko und statt der Krawatte, der locker geschlungene Schal aus selbigem edlen Material das Bild. Einige Ausnahmen, die sich partout unterscheiden wollen, verfestigen das Bild.

Um dem eventuell entstandenen Eindruck entgegenzuwirken, jeder könne an dieser Geselligkeit teilnehmen, einige Worte zum eintrittverschaffenden Merkmal. Es handelt sich hierbei um ein mit Foto und Profession versehenes Kunststoffkärtchen, das die Damen und Herren je nach psychologischer Verfassung vorne in Bauch und Brusthöhe, oder verschämt seitlich in Hostentaschenhöhe an der Kleidung festzwacken. Die Verschiedenfarbigkeit der Kärtchen gibt Auskunft über die Berlinale-Hierarchie. Besonders willkommen darf sich in diesem Jahr fühlen, wer eine lorbeerumkränzte Vierzig auf glitzerndem Untergrund vor sich hertragen kann.

Die Paviane unten auf dem Felsen lockt der Sonnenschein hervor. Das Volk der Filmbewegten wird agil, wenn es das vielgepriesene, unverwechselbare Berlinale-Flair verspürt. Schließlich neigt sich der Tag und der bizarre Kiezsänger Friedrich, die Nachtigall von Rammersdorf, bedeckt alles und alle mit einem Schleier seiner versöhnlichen Weisen.

Gunda Bartels

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