: Noch mal lachen vor der Wahl
■ Das Kabarettduo Mensching und Wenzel zeigte (noch) „Neues aus der DaDaeR“
Ganz schön mutig - gerade jetzt als komisches „Welttheater aus dem anderen Deutschland“ hier aufzutreten. Wo doch die Kabarettisten Angst haben müssen, daß die kurz vorher noch umgeschriebenen Texte während der Vorstellung schon wieder von der Realität überholt werden.
Aber Steffen Mensching und Hans-Eckardt Wenzel kleben mit ihren Szenen nicht sklavisch an der Tagespolitik, und so konnte ihnen auch die Tagesschau von Samstag abend nicht die Tour vermasseln.
Mit ihren weiß geschminkten Gesichtern, den grotesken Kostümen und immer etwas absurden Texten erinnern die beiden an
Becketts Estragon und Wladimir. Sie erzählen aus dem DaDaland, und das hat sich offensichtlich gar nicht so sehr verändert.
Und vieles kommt auch uns hier sehr bekannt vor. Die gnadenlose Feierlichkeit, leere Phrasen und deutsche Gemütlichkeit wurden uns da vorgeführt: bei einer Ordensverleihung, wo sich die beiden mit den piksigen Ehrenzeichen beinahe gegenseitig erstachen, bei einem Dankchoral an „unsere Mütter tütata“ und bei einem richtig schönen Matrosenlied, das die beiden mit der Quetschkommode in einem Rettungsring sangen: „Seemannsbraut ist die See liegst du bei Karstadt auf Reede?“ Das Pathos
des DDR-Liedgutes von Brecht bis Biermann bekam gleich zu Anfang mit „Und weil der Mops ein Mops ist“ sein Fett weg, aber mit ihren nachdenklich, bitteren Liedern zu Klampfe oder Akkordeon stehen sie selber auch noch in dieser Tradition. Hier stieg ein wenig Museumsstaub von der Bühne auf, und auch das „Leben des Hirsches im Staatsjagdgebiet“ sieht jetzt schon anders aus.
Der kleine Steffen turnte einige Male höchst akrobatisch auf seinem Kollegen herum; der tadelte ihn dafür als deutsche Mutter in perfektem Inge Meysel-Ton, und beide erreichten mit dem Stichwort „Modelleisenbahn“ das kollektive Unterbewußtsein der ge
samtdeutschen Kind-Männ lichkeit. Einige Anspielungen verstanden nur die Spezialisten und DDRler im Publikum, die man dann auch an ihren Lachern erkennen konnte. Aber ein paar Pointen gabs auch extra für uns: In Bremen gab es ihnen zu viele Leistungssportler: „Die blockieren die Turnhallen.“
Zum Schluß entschuldigten die beiden sich vor einem Kadi, zu dem sie sehr hoch blicken mußten, für ihre revolutionären Umtriebe; und dann sangen sie „die Clowns gehör'n erschossen“. Das ist nun aber wirklich nicht mehr aktuell: Die Clowns wer'n einfach arbeitslos.
Wilfried Hippen
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