"Judas" erlogenes Feindbild

■ betr.: "Die Täterin ist immer die Diktatur", Ankündigung des Buches von Helga Schubert, taz vom 12.4.90

Betr.: „Die Täterin ist immer die Diktatur“ Ankündigung des Buches von Helga Schubert (Judasfrauen), taz v. 12.4.

Es ist vermutlich nur wenigen aufgefallen, was für ein Mißgriff und für ein Mißgeschick es war, daß Ihr ausgerechnet in der Ausgabe direkt vor Karfreitag ein Buch mit dem antisemitischen Titel Judasfauen diesbezüglich kommentarlos vorgestellt habt. Der Mißgriff liegt in der Titelwahl von H. Schubert, der Autorin. Hat sie wirklich nicht gewußt, daß sich in der Person und dem Namen Judas alle gemeinen und hinterhältigen Vorurteile der christlich -abendländischen Kultur gegen das Judentum geradezu personifizieren? Judas ist das erlogene Feindbild jüdischer Verrätergesinnung. Wie kann die Autorin dazu kommen, dieses mit wirklichem nazistischen Denunziantentum, der Gesinnung der Antisemiten, gleichzusetzen? Erinnert das nicht an Bitburg? Ich finde, eine wache Redaktion hätte das kommentieren müssen. Euer Mißgeschick bestand nun allerdings darin, daß Ihr diesen Titel vor Karfreitag angekündigt habt, dem Tag, der bis in die Neuzeit traditionell jährlich wiederkehrenden Christenpogrome gegen die Juden, die angeblich den Messias verraten und ermordet haben sollten. Ein eigenartiger Zufall in einer religiös gedankenlosen Zeit.

Klaus-Peter Lehmann, Pastor und Abonnent der taz

(In bezug auf den Namen Judas, denke ich, hat H. Sch. eben genau aus Ihren o.g. Gründen diesen gewählt. Außerdem - hat nicht J. Christus Judas verziehen? will H. Sch. nicht vielleicht auch genau das mit ihrem Buch erreichen? Welcher Zeitpunkt wäre besser geeignet als der Tag vor Karfreitag? i.d.Sinne - die „fehlenden Kommentare“ lassen sich bei einem Interview i.d.R. immer in der Fragestellung wiederfinden - Ulrike Helwerth ist taz-Redakteurin... d.s.in)