: „Kein Rückzug aufs Altenteil“
■ Interview mit der Grünen Marieluise Beck-Oberdorf zu ihrem Abschied aus dem Bundestag
taz: Du hattest bis vor kurzem Interesse daran, noch einmal für den Bundestag zu kandidieren. Jetzt hättest Du die Möglichkeit, die Rotation ist abgeschafft. Warum willst Du nicht mehr?
Marieluise Beck-Oberdorf: Letzter Ausschlag ist für mich der Parteitag in Dortmund gewesen, und dabei mehr die menschliche Seite als die politische. Ich hatte das Gefühl, daß es in der Partei etwas Menschenfressendes gibt.
Diese Komponente ist für grüne Versammlungen doch nichts Neues.
Meine Dünnhäutigkeit hat zugenommen, obwohl ich selbst ja nicht direkt betroffen war. Aber für mich ist es zunehmend bedenklicher, wie die Partei mit ihren Personen umgeht, und was für Brüche in ihrer Geschichte sie damit vornimmt.
Ist es nicht vor allem die Abwahl von Ralf Fücks, die Dich resignieren läßt?
Ralf war für mich dafür ein Beispiel. Es weiß ja nun jeder, daß ich da durch eine besondere persönliche Verbundenheit einen besonders subjektiven Blick drauf hatte. Es geht aber darüber hinaus. Antje Vollmer hat auf dem Parteitag nicht gesprochen, weil sie nicht die Buhfrau sein wollte, Christa Nickels ist gar nicht erst hingefahren. Und die gehören für mich zur Seele der grünen Partei.
Das heißt doch: Bei den Grünen Politik zu machen, ist normal fühlenden Menschen nicht zuzumuten.
Das will ich nicht sagen. Ich will kein Scherbengericht veranstalten. Für mich ist Dortmund eine menschlich schwer zu verdauende Nuß gewesen. Dazu kommen noch einige Abschiede von alten Weggefährtinnen: Außer Antje Vollmer und Christa Nickels auch Petra Kelly, Waltraud Schoppe oder Willy Hoss, die alle nicht mehr in der nächsten Fraktion sein werden. Das ist für mich auch ein Verlust politischer Heimat und persönlicher Motivation.
Einige Grüne sind ja schon dabei, Deinen Abschied familienpolitisch umzudenken. Motto: „Beck-Oberdorf hört auf, um Fücks den Platz freizumachen.“
Da kann ich nur mit den Achseln zucken. Wenn Menschen böswillig denken wollen, dann kann ich nur sagen: Bitte schön. Wenn das aber dazu führt, daß man, um das Gegenteil zu beweisen, seine Kandidatur zurückziehen muß, dann kriegt das eine fatale Konsequenz. Wenn die „besseren Menschen“ die sind, die sich zurückziehen aus den politischen Ämtern, und diesen Tenor gibt es ja auch in der Partei, dann führt das dazu, daß immer noch ein Stück von unserer grünen Identität verloren geht.
Ziehst Du Dich denn jetzt zurück?
Das ist kein Abschied aus der Politik. Ich bin nach zehn Jahren mit den Grünen so verwoben, daß ich mir nicht vorstellen kann, auf's politische Altenteil zu gehen. Ich habe die Vorstellung, wenn ich weitermache nach einer Pause
-sei es in Bremen oder in Bonn oder wo auch immer - möchte ich das auf dem Hintergrund eines Konsenses machen, und spüren: Die wollen mich auch. Wenn ich mich da durchboxen muß, nach dem Motto: „Die kann ihren Hals nicht voll kriegen“, dann habe ich keine großen Ambitionen.
Fragen: hbk
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