: Auf der Suche nach der neuen DDR-Prominenz
■ Ab 1991 erstes gesamtdeutsches „Who's Who“
Essen (dpa) - Zehntausend DDR-Bürger haben die Chance, Aufnahme in die erste gesamtdeutsche Ausgabe des Prominentenlexikons Who's Who zu finden. Damit hat der Essener Verleger Norbert Belecke, der das Nachschlagewerk mit der 1991 erscheinenden Ausgabe erstmals um die Namen der aktuellen DDR-Prominenz erweitern will, den Einwohnern des zweiten deutschen Staates im Verhältnis zur Bevölkerungszahl die gleiche Prominentenquote zugebilligt wie den Bundesbürgern. In der Bundesrepublik finden alljährlich rund 40.000 Bürger ihre Kurzbiographie dort wieder.
„Mehr ist aus Platzgründen nicht möglich, auch wenn mancher eine Eintragung mit dem Kauf von gleich mehreren Exemplaren des 280 Mark teuren Buches oder mit einem Bestechungsgeld erreichen möchte“, berichtet Belecke. Derartige Anfragen aus der DDR sind bei dem Verlag jedoch noch nicht eingegangen.
„Viele Menschen in der DDR fühlen sich in ihrer neuen Position offenbar noch nicht sicher genug“, mutmaßt der Verleger zu den Ursachen dieser vornehmen Zurückhaltung. Bei dem Essener Verlag hat man rund 30.000 Arbeitsstunden eingeplant, um die 10.000 prominentesten DDR-Bürger aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kunst, Sport und Wissenschaft in Tausenden von Anfragen bei Pressestellen, Verbänden, Organisationen und Behörden zu ermitteln.
Die genauen Auswahlkriterien für die begehrte Aufnahme in die gesamtdeutsche Ausgabe sollen jedoch das Geheimnis des Verlages bleiben.
Auf die rund 5.000 Prominenten der letzten im Jahr 1963 erschienen DDR-Ausgabe, die nach der Mißbilligung der damaligen Machthaber eingestellt wurde, wird man wohl nicht mehr zurückgreifen können: Nur wer noch in Amt und Würden ist, hat eine Chance. Ex-DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker wird seinen Namen deshalb ebensowenig wiederfinden wie Hans Modrow oder andere Mitglieder der ehemaligen DDR -Prominenz.
Schon heute ist der Wälzer jedoch ein begehrtes Gut für wißbegierige DDR-Bürger. Nach zahlreichen Bestellungen aus der DDR ist das Werk des Essener Verlags derzeit ausverkauft. Noch vor dem ersten gesamtdeutschen Who's Who des Jahres 1991 soll in diesem Jahr eine Ausgabe erscheinen, in der neben den derzeitigen Regierungsmitgliedern zunächst nur einige wenige herausragende DDR-Prominente Aufnahme finden sollen.
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