piwik no script img

„Die einfachste Lösung ist 0,0“

■ Experten diskutierten über künftige Promillegrenze / Wunsch: Absolutes Alk-Verbot am Steuer

Charlottenburg. Mit wieviel Promille im Blut soll der/die deutsche AutofahrerIn in die Vereinigung rasen? Zur Zeit herrschen in beiden deutschen Staaten noch unterschiedliche Regelungen: Während der bundesdeutsche Automobilist sein Blut unter bestimmten Umständen mit bis zu 0,8 Promille Alkohol verdünnen darf, ist für DDR-Fahrer immer noch totale Abstinenz angesagt.

Mit der Frage, wie eine gesamtdeutsche Regelung aussehen könnte, befaßte sich gestern eine von der „Landesstelle Berlin gegen die Suchtgefahren e.V.“ initiierte Konferenz. An ihr nahmen hochrangige Polizeivertreter aus Ost- und West -Berlin und eine Vertreterin des „Medizinischen Dienstes des Verkehrswesens der DDR“ teil. West-Berlins Polizeipräsident Georg Schertz brachte die Grundeinsicht der Versammelten auf den Punkt: „Die reinste und sauberste Lösung ist 0,0 Promille.“ Dies sei aber nicht durchsetzbar, da dafür die Akzeptanz in der trinkfreudigen Bevölkerung fehle.

Auch Polizeidirektor Joachim Griebl vom Ostberliner Polizeipräsidium ist für völlige Enthaltsamkeit der Männer und Frauen am Steuer: „Bereits ab 0,2 Promille ist die Fahrtüchtigkeit in jedem Fall beeinträchtigt. Wie soll jedoch ein Laie an sich feststellen können, daß er sie noch nicht erreicht hat?“ Bei über 50 Prozent aller Verkehrsunfälle im untergehenden Osten sei Alkohol im Spiel gewesen. In der DDR sei das alkoholfreie Fahren im übrigen auch bei den Kraftfahrern längst durch lange Übung akzeptiert.

Professor Dr. Lothar Schmidt, Vorsitzender der „Landesstelle gegen die Suchtgefahren“, verwies darauf, daß „die individuelle Konstitution der einzelnen Menschen logischerweise auch völlig unterschiedliche Grenzwerte beinhaltet“. Schon deshalb sei „eine einheitliche Promillegrenze paradox“. Dann ging auch er auf das Akzeptanzproblem ein: „Veranstaltet man eine Umfrage, ob man 0,0 Promille einführen sollte, werden sie einen hohen Anteil von Leuten haben, die dafür sind. Wenn sie sich dann allerdings daran halten sollen - da ist der Geist zwar willig, doch das Fleisch ziemlich schwach. Es gibt da eben eine Diskrepanz zwischen öffentlicher Äußerung und persönlichem Verhalten.“

Hermann Engelhardt (Dezernat Verkehr in West-Berlin) sprach vom falschverstandenen Freiheitsbegriff, den viele für sich in Anspruch nehmen: „Schließlich sind die Sicherheitsnormen im Interesse aller erlassen worden.“

Doch nicht nur die mangelnde individuelle Akzeptanz wird eine gesamtdeutsche „Nullösung“ unmöglich machen. Professor Schmidt: „Da hängen doch noch ganz andere Interessen dran. Eine Regierung, die beispielsweise vom 'Abbau des europäischen Weinsees‘ redet, wird logischerweise kein Interesse an 0,0 Promille haben.“

Fazit von Polizeidirektor Griebl: „0,0 ist utopisch, 0,3 wäre wünschenswert, und 0,5 werden wir kriegen.“

Olaf Kampmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen