: Sicherheitsrat verhängt Luftblockade über Irak
■ UNO verstärkt Druck auf Bagdad/ Alle Staaten sind aufgefordert, weder Flüge in den Irak zuzulassen noch Flugzeugen von dort die Landung zu erlauben/ Saddam Hussein spricht von „barbarischem“ Akt und warnt die USA vor einem „zweiten Vietnam“
New York (afp/ap) — Mit der Verhängung einer Blockade des Luftverkehrs vom und in den Irak sowie nach Kuwait hat die UNO einen neuen Versuch unternommen, das Regime in Bagdad ohne die Anwendung direkter Waffengewalt doch noch zum Rückzug aus Kuwait zu zwingen. In einem demonstrativen Akt der Entschlossenheit stimmten 14 der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates der Weltorganisation, darunter 13 Außenminister, am Dienstag abend für eine dahingehende Resolution. Nur Kuba stimmte dagegen. In einer ersten Stellungnahme nannte der irakische UNO-Botschafter al-Anbari das Votum einen „kriegerischen Akt“ gegen sein Land.
Geleitet wurde die Sitzung ausnahmsweise vom sowjetischen Außenminister Schewardnadse, dessen Land derzeit den Vorsitz im Sicherheitsrat innehat. Erstmals hatte Schewardnadse zuvor in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung die Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak nicht mehr ausgeschlossen. Gleichzeitig rief er „als alter Freund“ den Irak auf, Einsicht zu zeigen und sich dem internationalen Recht zu beugen. Schewardnadse sprach sich für eine Wiederbelebung des militärischen UN-Komitees aus, das aus den Generalstabschefs der fünf Ständigen Ratsmitglieder besteht und eine Militäraktion am Golf koordinieren könnte. Erneut wies er auf die Notwendigkeit weltweiter Rüstungskontrolle hin. Es war das erste Mal in der 45jährigen Geschichte der Vereinten Nationen, daß so viele Außenminister an einer Abstimmung des Sicherheitsrates teilnahmen.
Zur allgemeinen Überraschung stimmte auch der jemenitische Vertreter für die Entschließung, verurteilte aber gleichzeitig die Präsenz ausländischer Truppen am Golf. Wie ein Sprecher des jordanischen Transportministeriums erklärte, will Jordanien das Luftembargo ebenfalls „verbindlich“ befolgen. Kuba verteidigte seine Ablehnung mit dem Hinweis, die Resolution bringe „uns dem Weltbrand näher“.
Die UNO-Entschließung 670 sieht die Ausweitung der Handelssanktionen auf den Luftweg vor. Alle Staaten werden darin aufgefordert, weder Flüge in den Irak zuzulassen noch Flugzeugen von dort oder aus dem besetzten Kuwait die Landung zu erlauben. Sie läßt als Ausnahme nur Flüge gelten, die Nahrungsmittel oder medizinische Güter nach Irak bringen, sofern der Sanktionsausschuß des Sicherheitsrats dies genehmigt hat. Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung der Luftblockade wird zwar abgelehnt, empfohlen wird aber die Durchsuchung und notfalls auch das Festhalten von Flugzeugen mit Ziel- oder Herkunftsland Irak. Verschärft wurde zudem die Seeblockade gegen Bagdad. So sollen künftig alle irakischen Schiffe am An- oder Auslaufen ausländischer Häfen gehindert werden, die im Verdacht stehen, die Embargobestimmungen unterlaufen zu haben.
Damit hat die UNO ihre nichtmilitärischen Möglichkeiten, den Irak zum Abzug aus dem Emirat zu zwingen, nahezu ausgeschöpft. In einer begleitenden Erklärung des Rates wurde jedoch die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens der UNO für den Fall angedeutet, daß Irak sich weiter dem Willen der internationalen Gemeinschaft widersetze. In einem solchen Fall würde man sich „schwerwiegende Schritte“ überlegen müssen.
Der Präsident der irakischen Nationalversammlung, Saleh, deutete im Zusammenhang mit dem Luftembargo an, daß sich die Situation der im Irak festgehaltenen Ausländer „verändern“ könnte. Er erklärte außerdem, das Luftembargo werde die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Irak erhöhen. Er bezeichnete das am Dienstag beschlossene Embargo als „neue Herausforderung sowohl an den Irak als auch an die Moral und die internationalen Gesetze“. Derzeit werden noch rund 5.500 Ausländer im Irak als Geiseln festgehalten. In einer Fernsehansprache an das amerikanische Volk nannte Iraks Präsident Saddam Hussein die Luftblockade „barbarisch und ungerecht“ und warnte die USA eindringlich vor einem „zweiten Vietnam“. Schewardnadse mußte sich von irakischer Seite den Vorwurf gefallen lassen, kritiklos den Entscheidungen der Vereinigten Staaten und der Ölscheichs zu folgen.
Vor der Jahresvollversammlung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds IWF gab Bush unterdessen die Gründung eines multilateralen Komitees bekannt, das die Unterstützung der vom Embargo am meisten betroffenen Länder — vor allem Jordanien, Ägypten und die Türkei — koordinieren soll. Vorsitzender der „Gulf Crisis Financial Coordination Group“ wird US-Finanzminister Brady. Die Koordinationsgruppe sollte bereits gestern erstmals tagen. Kuwait kündigte die Bereitstellung weiterer 2,5 Milliarden Dollar für Hilfsmaßnahmen in der Golfkrise an. Von westlichen Experten wurde die Bush-Initiative aufgrund „einer Reihe ungeklärter Fragen“ überaus zurückhaltend aufgenommen.
Unterdessen geht der militärische Aufmarsch in der Krisenregion unvermindert weiter. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums hat Irak die Zahl seiner an der Grenze zu Saudi-Arabien stationierten Soldaten seit letzter Woche von 360.000 auf 430.000 erhöht. In derselben Zeit sei die Zahl der dort befindlichen irakischen Panzer um 700 auf 3.500 vermehrt worden. Dem stehen in Saudi-Arabien und auf Schiffen im Persischen Golf 165.000 US-Soldaten und etliche Tausende Soldaten arabischer und europäischer Länder gegenüber. Am Mittwoch wurde bekannt, daß die USA den Flugzeugträger „Independence“, der bisher im Arabischen Meer kreuzte, in den Golf schicken. Er hat 70 Kampfflugzeuge an Bord.
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