: Honecker von Mielke erpreßt?
■ Dossiers über Ex-Staatschef beschlagnahmt
Karlsruhe (dpa) — Die Staatssicherheit hat ein Dossier mit möglicherweise belastenden biographischen Details über den früheren Staats- und Parteichef Erich Honecker geführt, das jetzt beschlagnahmt worden ist. Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Donnerstag die Beschlagnahme eines „roten Koffers mit Aktenstücken“ über Honecker. Nach einem Bericht des ZDF-Fernsehmagazins „Kennzeichen D“ vom Mittwoch abend belegen die Dokumente, daß Honecker seine Biographie „geschönt“ und in einem Strafverfahren vor dem NS-Volksgerichtshof andere Kommunisten belastet habe. Es gebe Hinweise darauf, daß der ehemalige Stasi-Chef Erich Mielke diese Aktenstücke zu Erpressungen Honeckers verwendet haben könnte.
Dazu teilte die Bundesanwaltschaft mit, daß die Überprüfung der Schriftstücke „keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer heute verfolgbaren Straftat“ Mielkes ergeben habe. Zu einer möglichen Zusammenarbeit Honeckers mit den Nationalsozialisten hieß es hingegen lediglich, „für Außenstehende“ gebe es darauf keine Hinweise.
Der Koffer mit den Dokumenten war Anfang 1990 im Ermittlungsverfahren des damaligen Generalstaatsanwalts der DDR gegen Mielke sichergestellt und später BRD-Behörden übergeben worden. Es handele sich um Material zum Prozeß gegen Honecker vor dem Volksgerichtshof, der den Kommunisten am 8. Juni 1937 zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren verurteilt hatte. Der Generalbundesanwalt habe die Überstellung der Dokumente an das Bundesarchiv in Koblenz veranlaßt, „da es sich um zeitgeschichtlich bedeutsame Dokumente handelt“. Im TV-Bericht hatte es geheißen, in dem Dossier seien auch Analysen enthalten, die höchstwahrscheinlich die Stasi angefertigt habe. Bei den Akten zum Prozeß gegen Honecker, Bruno Baum und andere Kommunisten befinde sich eine solche Analyse, wonach Honecker „nicht so zurückhaltend wie die anderen Angeklagten war“ und „ziemlich ausführliche Aussagen machte“. Der Mitangeklagte Baum sei in einem Punkt durch die Angaben Honeckers überführt worden. In der Sendung hatte der ehemalige DDR-Generalstaatsanwalt Joseph geäußert, zwar wolle er sich nicht an einem „Denkmalsturz“ Honeckers beteiligen, aber: „In diesem Prozeß sind bestimmte Aussagen von Erich Honecker gemacht worden, die ganz offensichtlich auch andere Kommunisten seinerzeit belasteten.“ Die Äußerungen Honeckers seien „sicher von Herrn Mielke sehr genau analysiert worden“.
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