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Signal aus Bagdad stößt auf Ablehnung

■ Westen sieht angekündigte Geiselfreilassung als Spiel auf Zeit/ Bush und Thatcher drohen am Rande des KSZE-Gipfels erneut mit Krieg/ Syrien will nicht an einer Offensive gegen den Irak teilnehmen

Paris/Bagdad (ap/dpa/adn) — Die Ankündigung des irakischen Präsidenten Saddam Hussein vom Sonntag abend, als „Geste des guten Willens“ bis März 1991 alle ausländischen Geiseln freizulassen, ist auf heftige internationale Kritik gestoßen. Positiv äußerte sich lediglich die PLO. Saddam Hussein machte die Freilassung allerdings von einem „Klima des Friedens“ abhängig.

Die USA und Großbritannien drohten erneut militärische Gewalt an, falls sich der Irak nicht aus Kuwait zurückziehe. Nach einem Treffen mit US-Präsident Bush am Rande des KSZE-Gipfels in Paris sagte die britische Premierministerin Thatcher am Montag: „Entweder zieht der Irak sich zurück, oder die militärische Option muß gewählt werden.“ Bush pflichtete bei: „Wir schließen keinerlei Option aus.“

Bush will dem Vernehmen nach die Gespräche am Rande der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) nutzen, für einen Entschließungsentwurf im UN-Sicherheitsrat zu werben, der die Anwendung von Gewalt gegen den Irak vorsieht. Washington will die Resolution noch in diesem Monat durchdrücken, da im Dezember der Jemen die Präsidentschaft im Sicherheitsrat von den USA übernehmen wird. Bisher unterstützt der Jemen die Politik von Saddam Hussein.

Bereits zuvor hatte US-Außenminister Baker mit seinem sowjetischen Kollegen Schewardnadse gesprochen. Beide lehnten danach eine Antwort auf die Frage ab, ob auch die Sowjetunion für eine Resolution über die Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak sei. Schewardnadse erklärte: „Ich könnte nicht sagen, daß wir irgendwelche Entscheidungen getroffen hätten.“ Er verwies auf die gestrige Begegnung zwischen Bush und Gorbatschow.

Unterdessen wurde spekuliert, welchen Zweck Saddam Hussein mit der Freilassungsaktion verfolgt. In einer von der irakischen Nachrichtenagentur 'ina‘ verbreiteten Bekanntmachung hieß es, die Freilassung werde in drei Phasen vor sich gehen. Die „ausländischen Gäste“ dürften vom 25. Dezember an gruppenweise aus dem Irak ausreisen. Die letzte Gruppe könne den Irak am 25. März verlassen, wenn bis dahin nichts geschehe, was den Frieden störe.

Irakische Regierungsbeamte bezeichneten den Termin für den Beginn der Freilassungswelle als Friedensgeste zu Weihnachten. Der März wiederum, in dem die Aktion abgeschlossen werden soll, ist der islamische Fastenmonat Ramadan. Beobachter meinen, gerade die Periode zwischen Dezember und März sei der wahrscheinlichste Zeitraum für einen Krieg. Dann seien die Witterungsbedingungen bei relativ niedrigen Temperaturen am günstigsten.

Ein irakischer Jumbo-Jet mit 129 bisher im Irak und in Kuwait festgehaltenen westlichen Geiseln an Bord ist am frühen Montagmorgen auf dem Londoner Flughafen Gatwick gelandet. Es handelt sich in der Mehrzahl um Amerikaner, vorwiegend Frauen und Kinder. Auch zwölf Briten und acht Deutsche waren an Bord. Noch immer werden mehr als 3.000 Ausländer festgehalten. 500 von ihnen wurden als menschliche „Schutzschilde“ an strategisch wichtige Orte verschleppt.

Die in Saudi-Arabien stationierten syrischen Truppen hätten einen ausschließlich defensiven Auftrag und würden sich an keinem Angriff gegen den Irak beteiligen, erklärte Außenminister ash-Shera in einem am Montag veröffentlichten Interview. Syrien wolle den Schaden für die gesamtarabischen Interessen möglichst gering halten.

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