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Weggeschlossen in Hadamar!

■ Maßregelvollzug mit vielen kleinen und großen Schikanen ist nichts anderes als Dauerarrest

Wir sind Insassen im sogenannten Isolations-Zellenbau Haus 7 des Maßregelvollzuges des PKH Hadamar und wollen mit unserem Schreiben über einige Mißstände in der hiesigen Einrichtung berichten.

Das Haus 7 ist innerhalb des Maßregelvollzuges von Hadamar das Sanktions- und Aufnahmehaus. Man könnte es gewissermaßen als Arrestvollzug bezeichnen, jedoch kann solch ein Arrest hier bis zu acht Monaten dauern. Im Strafvollzug gibt es für Arreststrafen eine zeitliche Begrenzung von 14 Tagen bis maximal vier Wochen, da Arrest als schärfste Sanktionsmaßnahme innerhalb des Strafvollzuges gilt.

Im Maßregelvollzug kann es passieren, daß manche Insassen nur diesen Sanktionsvollzug als „Normalvollzug“ erleben, da sie gar nicht erst auf andere Stationen des Maßregelvollzuges verlegt werden, weil sie zum Beispiel nach Paragraph 126aStPO „einstweilig untergebracht“ sind (=U-Haft im Maßregelvollzug, ohne zeitliche Begrenzung). Oder weil sie die Teilnahme beziehungsweise Unterbringung im Maßregelvollzug für sinnlos halten und es ablehnen, die dortigen Psychospielchen freiwillig mitzumachen. Die Unterbringung im Maßregelvollzug erfolgt nur auf richterliche Weisung, ist also eine Zwangsmaßnahme der Justiz. Eine Entlassung oder Verlegung hängt ebenfalls von einer richterlichen Entscheidung ab, wobei auch die Staatsanwaltschaft mitzureden hat. Nach außen hin wird der Maßregelvollzug zwar als Krankenhaus (Psychiatrie) dargestellt, jedoch ist der Gefängnischarakter für die Insassen täglich spürbar.

Im Haus 7 gibt es dreifach vergitterte Fenster, Einzelzellen (mit eingebauter Toilette und Waschbecken sowie Lichtschalter in der Zelle und eine Anlage zum gemeinschaftlichen Rundfunkprogramm, die um 23 Uhr ausgeschaltet und morgens nach Sieben wieder eingeschaltet wird). Dafür gibt es jedoch keinerlei Fernsehmöglichkeiten, keine Sport- oder Freizeitangebote, keine Beschäftigungs- beziehungsweise Arbeitsmöglichkeiten.

Konkret sieht es also so aus, daß täglich 23 Stunden Zelleneinschluß praktiziert werden. Privattelefonate sind grundsätzlich nicht möglich. Besuche gibt es nach genehmigtem Antrag allerhöchstens einmal im Monat im Beisein eines „Pflegers“, der alles optisch und akustisch überwacht, sowie nach vorherigen Kleider- und Körperkontrollen der BesucherInnen, sofern diese angeordnet werden.

Die Freistunde wird in jeweils zweimal 30 Minuten vormittags und nachmittags durchgeführt in einem kleinen Hof, der von hohen Zäunen und Unmengen Nato-Draht umgeben ist, und jeweils nur zu zweit, natürlich mit Bewachung.

Es gibt keine Paketempfangsmöglichkeiten, da Pakete hier generell aus sogenannten Sicherheitsgründen verboten werden, das trifft auch auf Bücherpakete zu.

Insgesamt gibt es im Haus 7 zehn Einzelzellen. Im sogenannten Tagesraum, in dem die Anwaltsbesuche durchgeführt werden, gibt es eine kleine Bücherei, die etwa 150 alte Bücher enthält (1945 bis 1950 — die Reichspropaganda läuft weiter), was darauf hinausläuft, daß die Insassen hier sogar kopfmäßig isoliert werden.

Bei den Essensausgaben gibt es keinerlei Gewürze, also weder Salz noch Zucker oder andere, sie können auch nicht über den Einkauf bezogen werden, da der Einkauf für das Haus 7 ausschließlich im anstaltseigenen Kiosk durch „Pflegepersonal“ getätigt wird. Dieser Kiosk hat nur ein begrenztes Warensortiment, jedoch überteuerte Preise, wie man es in anderen Krankenhäusern vergleichen kann.

Beim Einkauf gibt es weder Postkarten noch ausreichende Schreibutensilien (zum Beispiel Kohlepapier, spezielles Schreibpapier), Toilettenartikel sind eh nur sehr begrenzt gestattet: Zahnpasta, Seife, Shampoo (und dann bekommt man noch nicht einmal das, was man will, sondern das, was der Kioskbesitzer gerade auf Lager hat).

Briefmarken kann man nur von der Sorte zu einer DM bestellen, andere Briefmarkensorten gibt es nicht. Der Besitz von Briefmarken wird verboten, sie werden vom „Personal“ verwahrt, die dann die Frankierung unserer Post vornehmen, als ob wir dazu selbst nicht in der Lage wären.

Die Benutzung von eigenen Rasierapparaten (Naßrasierer) ist verboten, statt dessen müssen sich alle Insassen gemeinsam einen Stations- Elektrorasierapparat teilen, so daß jede Rasur damit eine Tortur ist. Unsere Hinweise, daß durch die gemeinsame Benutzung eines Rasierapparates bakterielle Ansteckungsgefahren sowie Aidsrisiken gefördert werden, und daß das zudem auch außerordentlich unhygienisch ist, werden einfach ignoriert. Wenn hier mal jemand mit einer ansteckenden Hauterkrankung eingeliefert wird, läßt sich eine Ausweitung beziehungsweise Ansteckung nicht vermeiden. Da es hier auch HIV-positive Insassen gibt, könnte jede Verletzung mit dem stumpfen Rasierapparat zum Aidsrisiko werden. So etwas gibt es nicht mal im Knast. Wir leben hier in einem rechtlosen Raum.

Da unsere ein- und ausgehenden Briefe kontrolliert werden, mußten wir schon mehrfach erleben, daß unsere kritischen Schreiben nicht weitergeleitet wurden und es zu anschließenden Androhungen von Repressalien kam. Wer sich hier gegen die Mißstände auflehnt, muß mit allen möglichen Repressalien rechnen, die von Zwangsmaßnahmen wie Fesselung, Abspritzen mit Psychopharmaka (was gerne angewandt wird, auch als sogenannte Normalbehandlungsmethode), bis zu längerem Aufenthalt im Haus 7 und zeitweiliger Verlegung in videoüberwachte Sonderzellen reichen.

Die hiesigen Verwahrbedingungen sind für uns eine andere Form von Psychofolter, zumal es keinerlei Beschäftigungsmöglichkeiten oder sonstige Abwechslungen gibt. Es gibt im Tagesraum zwar einen Fernseher, der jedoch erst nach vier Wochen Aufenthalt und dann nur jeweils von einem einzelnen Insassen pro Woche einmal für zwei Stunden vormittags benutzt werden darf. Es kann nur ein Programm empfangen werden.

Während der Freistunden werden gerne die Zellen gefilzt. Wer kein Eigengeld hat, darf nicht einmal mit seinem Anwalt telefonieren, da das Taschengeld, das man hier bekommt, vom Personal eingeteilt und der Verwendungszweck vorgeschrieben wird.

Für die diesjährigen Wahlen wurden in der gesamten Anstalt keine Informationen oder Briefwahlmöglichkeiten geschaffen, so daß die wahlberechtigten InsassInnen dieser Anstalt nicht wählen konnten. Wenn das auch in anderen Psychiatrien beziehungsweise Maßregelvollzugsanstalten der Fall ist, wurden zigtausend Wählerstimmen nicht berücksichtigt.

Diesen Brief müssen wir rausschmuggeln beziehungsweise über Umwege versenden, da er sonst die hiesige Knastzensur nicht bestehen würde. Dieser Brief wird von allen zehn Insassen des Hauses 7 mitgetragen. Hans F., Hadamar

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