: Die gehemmte Investition
■ Ostberliner Senat bestreitet Rechtmäßigkeit der Versteigerung von Immobilien in der ehemaligen DDR/ Umstrittenes Miethaus Kollwitzstraße 52 im Prenzlauer Berg wurde 1937 „arisiert“
Berlin (taz) — Die erste Versteigerung von Immobilien aus der ehemaligen DDR wird vor Gericht landen. Noch sind nicht einmal die Grundsatzfragen der Eigentumsrechte aus zwei deutschen Unrechtsregimes „im Namen des Volkes“ geklärt.
Ein beherzter Westberliner Auktionator hatte in der vergangenen Woche erstmals fünf Ostberliner Grundstücke mit Mietshäusern angeboten. Dabei hatte Auktionator Plettner mit Mieterprotest gerechnet („Miethaie zu Fischstäbchen“) und vorsorglich die Polizei im Nebenzimmer Stellung beziehen lassen.
Für die 1.560 Quadratmeter Wohnfläche des fünfstöckigen Mietshauses in der Kollwitzstraße 52 versprach ein Hamburger Künstler 1.050.000 Mark — und erhielt den Zuschlag. Bis zum 31.3.1991 allerdings zahlt er erst mal nicht — bis dahin läuft eine Klausel im Mietvertrag, die dem Vorbehalt jüdischer Ansprüche dient. Denn obschon die sozialistische Zwangsverwaltung das Haus nicht in der „Liste C“ des arisierten jüdischen Eigentums führte, weisen alte Grundbücher für die Kollwitzstraße 52 den Namen „Cohen“ aus.
Erst 1937 hat die „arische“ Familie das Haus erworben, die es jetzt meistbietend verkaufen ließ. Der Auktionator, der ins Grundbuch geschaut hatte, versichert, dies sei — 1937 — eine „ganz normale Transaktion“ gewesen, zumindest hätten die Erben der Käufer das versichert. Also müßten eventuelle Erben der „Cohen“ erst einmal das Gegenteil beweisen. Der Justitiar des Westberliner Lastenausgleichsamtes, Giesen, ist da ganz anderer Ansicht. Er ist in der Ostberliner Magistratsverwaltung für die Abwicklung der 150.000 „ungeklärten Vermögensverhältnisse“ verantwortlich und in diesen Tagen mit der Einstellung von Personal befaßt, um die Aktenberge bewältigen zu können.
Giesen beschreibt die Lage, in die er durch den Auktionator geraten ist, mit drastischen Worten: „Während ich die Grundstücke an die Berechtigten zurückgeben will, versucht der sie mir unter dem Hintern wegzuziehen.“
Der Justitiar sieht für den Hamburger Künstler dabei wenig Hoffnung: „Der Käufer hat keine Chance, je der Eigentümer zu werden.“ Denn erstens brauche der Eigentümer eines Hauses, das staatlich verwaltet wird, eine Verkaufsgenehmigung seiner Abteilung der Finanzbehörden. Die hatte der Auktionator nur in einem der fünf Fälle, in dem ein volkseigenes Haus den früher enteigneten Privatbesitzern zurückgegeben worden war, nicht für die Kollwitzstraße. Zweitens aber rechnet Giesen damit, daß die jüdische „Claims Conferenz“ für alle arisierten Grundstücke in (Ost-)Berlin pauschal einen Vorbehalt anmeldet — „da reicht ein Brief mit drei Zeilen aus“.
Auktionator Plettner kennt hingegen „keine ungeklärten Vermögensfragen“ und findet die juristischen Einwände gegen sein Geschäft „alle falsch“. Klaus Wolschner
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