: Erstmals seit 1904: SPD-Parteitag in Bremen
■ Heiße Debatte über „Bonn oder Berlin“ erwartet
Die Hotels der Region sind ausgebucht, die Hallen der Stadthalle für die komende Woche belegt — die SPD wird ihren Bundesparteitag in der Hansestadt abhalten.
Gestern stellte der für die Organisation zuständige stellvertretende Bundesgeschäftsführer Erik Bettermann das Programm vor: Am Montag geht es mit internen Sitzungen los, am Dienstag kommen die eröffnenden Reden, am Mittwoch wird Björn Engholm zum neuen Vorsitzenden gewählt, der Ehrenvorsitzende Willy Brandt hält eine Rede. Nachmittags soll eine Debatte zur Erneuerung der Parteiorganisation stattfinden.
Wichtige Resolutionen werden am Donnerstag erwartet: eine zum „Aufbauplan“ neue Bundesländer und Finanzverteilung, eine zur Friedensordnung in der Welt und der Frage, ob die Bundeswehr sich an Uno-Einsätzen beteiligen sollte.
Eine unvorhergesehene Debatte könnte die Frage der Hauptstadt auslösen. Eine „Hauptstadtkommission“ der SPD unter dem Vorsitz von Willy Brandt hatte zwar wie die Antragskommission dafür plädiert, daß die SPD sich keine Meinung bilden sollte, insgesamt fünf Anträge liegen aber vor — einer immerhin von allen sechs neuen Bundesländern, Berlin eingeschlossen, die sich für die alte Reichshauptstadt entscheiden.
Angesichts dieser Resolutionslage rechnen Parteitagsstrategen mit einem Initiativ-Antrag „pro Bonn“ und es dürfte der Versammlungsregie schwer fallen, die erhitzten Gemüter von einem Kräftemessen abzuhalten. Das quantitative Gewicht der nordrhein-westfälischen Delegiertenstimmen könnte die Waage dann zugunsten von Bonn senken. Nur eines ist sicher: Der Bundestagsabgeordnete Willy Brandt wird sich davon nicht beeindrucken lassen — ein „imperatives Mandat“ gibt es in der SPD nicht.
Am Freitag wird der Parteitag mit der Verleihung des „Wilhelm-Dröscher-Preises“ für phantasievolle Basisarbeit zu Ende gehen — 2,2 Millionen Mark kostet die SPD das Mammut-Spektakel, weit über eine Millionen Mark werden die 5.000 Delegierten und Gäste in Hotels, Kneipen und Cafes lassen, rechnet der Organisator Bettermann. Es lohne sich also auf jeden Fall, jedenfalls für Bremen. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen