Der taz FUTURZWEI-Kommentar: Tesla ist von gestern

Die Leute glauben, dass Union und Grüne das Ökowirtschaften schon hinkriegen werden. Die offene Frage ist: Wie geht das?

Tesla Cybertruck Bild: Imago Images

Von UDO KNAPP

Wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seinen Klimaplan 2030 tatsächlich im Konsens mit allen Parteien gesetzesfest noch in dieser Legislaturperiode im Bundestag beschlossen bekommt, hat er der Ökologisierung der Wirtschaft in der Bundesrepublik unumkehrbar den Weg gewiesen. Ordnungspolitische Weichenstellungen, verpflichtende Festlegungen in allen öffentlichen Haushalten und vieles andere mehr sollen den Weg für einen konsequenten Umstieg in eine beispielhafte, weltweit marktfähige ökologische Industrieproduktion freimachen. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), hat die Milliarden aus dem Corona-Sicherungsfond für die ganze EU an das Erreichen eines CO2-neutralen Wirtschaftsraums Europa bis 2050 fest mit ökologischen Zielen und konkreten Vorgaben verknüpft. Die großen Industrieverbände, die führende Konzerne, die öffentlichen Dienstleister in allen Produktions- und Gesellschaftsbereichen beginnen auf breiter Front mit dem ökologischen Umbau.

Natürlich gibt es, wie immer, die Einwände derjenigen, die nur wollen, dass sich nichts ändert. Natürlich ist Altmaier bisher als notorischer Bremser von Klimapolitik auffällig geworden. Natürlich hat er eine strategische Agenda. Und natürlich kritisieren die Grünen und die Umweltverbände Altmaiers Pläne als bloße Propaganda-Masche ohne Substanz. Aber die routinierte „Viel zu wenig“-Rhetorik wird von der Mehrheit ignoriert, und was immer Altmaiers Hintergedanke ist: Sowohl CDU als auch Grüne werden in Wahlumfragen von den Bürgern mit wachsender Zustimmung in ihrer ökologischen Wandelbereitschaft ermutigt.

Das erfolgreiche Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung hat offensichtlich das Vertrauen in eine künftige Führung aus CDU und Grünen sogar noch deutlich wachsen lassen. Wer Corona kann, der schafft auch die ökologische Wende – das scheint im Augenblick Mehrheitskonsens in der Gesellschaft zu sein.

Ökologischer Strukturwandel und die gesellschaftlichen Folgen

Die riesigen, kreditfinanzierten Hilfsprogramme der Regierung, die die wirtschaftlichen Folgen von Corona abmildern sollen, verdecken allerdings die ökonomischen und sozialen Tatsachen und Lasten des großen ökologischen Strukturwandels. Das Ende der fossilen Antriebe in Kraftfahrzeugen, der Umstieg auf E-Antriebe, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe haben gesellschaftliche Folgen in der Arbeitswelt, die bisher kaum beachtet werden.

In der Autoindustrie werden, vor allem auch in ihren Zulieferbetrieben, hunderttausende Arbeitskräfte überflüssig. Diese freigestellten Arbeitskräfte sind zwar zunächst durch die sozialen Sicherungssysteme gut abgesichert, wenn auch auf niedrigerem Einkommensniveau. Die Vorstellung, diese frei gesetzten Arbeitskräfte könnten über Umschulungsmaßnahmen wieder zu ihren vorherigen Einkommen zurückgeführt werden, ist aber wirklichkeitsfremd. Die digitalisierte Wirtschaft der ökologischen Zukunft verlangt intellektuelle Qualifikationen, die von vielen Autoarbeitern kaum nachträglich erworben werden können. Für diese Menschen werden neuartige soziale Sicherungssysteme gebraucht, über die sich bisher kaum jemand ernsthaft Gedanken macht.

Verschärft wird diese Entwicklung dadurch, dass auch die Elektro-Antriebe in den ansonsten kaum veränderten Autos als Übergangstechnologie einzuordnen sind. Die Zukunft der individuellen Mobilität wird von den selbstfahrenden Roboterautos bestimmt werden, die keinen individuellen Eigentümer mehr brauchen, aber mehr Mobilität in jeder Hinsicht bieten. In einer zweiten Welle der Mobilitätstransformation werden noch einmal tausende Beschäftigte überflüssig, die heutigen Mobilitätsdienstleister und Logistiker, Taxifahrer,  Busfahrer, Lieferanten.

Die schon heute in Ansätze sichtbaren Mobilitätssysteme der Zukunft kommen komplett ohne personale Steuerung aus, bieten aber zugleich situationsangepasste Mobilitätsdienstleistungen für jeden Zweck, an jedem Ort und zu jeder Zeit. Diese Mobilitätssysteme brauchen anstelle von Fahrern etwa IT-Spezialisten und Stewards, die die Systeme konfigurieren und beständig am Laufen halten. Dass solche Systeme in den großen Städten und in ländlichen Räumen öffentlich finanziert und in der täglichen Nutzung aber kostenfrei angeboten werden müssen, versteht sich. Fahrzeuge in Privatbesitz werden dann einfach nicht mehr gebraucht. Mobilität wird zu einem für alle frei zugänglichen, öffentlichen Gut.

Die Mobilität der Zukunft kommt ohne Privatfahrzeuge aus

Nicht nachzuvollziehen ist unter diesem Gesichtspunkt die Euphorie und die kritiklose Liebedienerei gegenüber Elon Musk, die sich mit dem Bau seiner Tesla-Fabrik („Gigafactory“) in Grünheide bei Berlin verknüpfen. Noch bevor die ersten Elektro-Autos dort vom Band rollen werden, haben sie in den Städten schon keine Zukunft mehr. Privat gekaufte Teslas reduzieren zwar den CO2-Ausstoß, das soll hier nicht unterschätzt werden, aber mit der Mobilität der Zukunft haben sie nichts zu tun.

Wie sehr  die Tesla-Konstrukteure am individuellen Mobilitätsversprechen von Gestern hängen, zeigen die Modelle im übrigen auch in ihrer Größe und ihrer ästhetischen Anmutung. Sie kommen daher wie Protzo-Schlitten von Möchtegern-Großverdienern. Über den Platz, den diese Schlitten im umkämpften Stadtraum verbrauchen, haben sich ihre Designer jedenfalls keine Gedanken gemacht. Aber genau darum geht es.

Wenn nun der VW-Konzern mit seinem ID.3 und dem in dieser Woche präsentierten Elektro-SUV ID.4 gleich zum Weltmarktführer für E–Autos aufsteigen will, dann zeigt das nur, dass die Gestern-Jungs in der VW-Konzernzentrale einfach ihre alten Träume weiter träumen. Für die Sicherung einer umfassenden Mobilität für möglichst alle Bürger in der ökologischen Zukunftsgesellschaft fühlen sie sich nicht zuständig und verantwortlich schon gar nicht. Peter Altmaiers ökologische Ordnungspolitikskizze kann und muss, wenn CDU und Grüne das wollen, in dieser Hinsicht noch nachgeschärft werden.

UDO KNAPP ist Politologe und war der letzte Vorsitzende des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund).

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