Sancho und die Windmüller

■ In München ausführlich bejubelt, im heimischen Bremen bald erstmals zu sehen: „Erwi & Alvi“ mit ihrem neuen „Don Quixote“

Der künstlerische Zugang zu den großen mythologischen Figuren des Abendlandes führt oft über Umwege: Die beiden in Bremen lebenden Chilenen Erwing Rau und Alvaro Solar, die ihre Schauspielerherzen an eine Figur wie Don Quixote verloren haben, mußten schon bis ins ferne München reisen, um ihr Stück auf die Bühne bringen zu können. Was in Bremen nicht möglich schien, erwies sich an der Isar rasch als durchschlagender Publikumserfolg. 74 zumeist ausverkaufte Aufführungen am Münchner Volkstheater, Kritikerlob, mehrere Kleinkunstpreise sowie in der Folge ausgedehnte Gastspielreisen durch den süddeutschen Raum: so reiche Ernte fuhren die beiden ein.

Trotz ernüchternder Erfahrungen in Bremen wollen „Erwi & Alvi“, wie sie sich nennen, ihre eigenwillige Don-Quixote-Interpretation in der kommenden Woche auch dem heimischen Publikum präsentieren. Am 19., 20. und 21. März sind sie mit ihrem Zwei-Personen-Stück im Schlachthof zu sehen.

Das Stück beginnt dort, wo der Text von Cervantes aufhört. „Erwi & Alvi haben ihn weiterzudenken versucht: Don Quixote liegt auf dem Sterbebett in den letzten Zügen und muß erkennen, daß die Windmühlen eben keine Riesen, sondern doch nur Windmühlen waren. Der verrückte Illusionist wird im Angesicht des Todes zum nüchternen Realissimus; sein Knappe Sancho Pansa aber, bei Cervantes noch ein erdgebundener Pragmatiker, macht gerade da nicht mehr mit: er, der Realist, wird zum Fantasten.

Der kleine Dicke aus dem Volk und sein Herr gehen eine sonderbare Synthese ein, und der Ritter darf in der Hoffnung sterben, daß sein Knappe den Menschheitskampf um Träume und Illusionen weiterkämpft.

Mit spärlichen Requisiten, mit viel Musik und einem Text, der das Original anklingen läßt, es aber um eigene Elemente erweitert, wollen Erwing Rau und Alvaro Solar diesen Menschheitsmythos beleben. „Als Cervantes seinen Text schrieb, waren Spanien und die Welt in einer Situation des dramatischen Umbruchs, alte Gewißheiten waren untergegangen, die Zukunft war vage und kaum kalkulierbar“, meint Alvaro Solar. „Das ist heute nicht anders.“

Ob in Zukunft für die beiden Chilenen Bremen jedoch der richtige Ort sein wird, um ihre künstlerischen Träume zu verwirklichen, ist mehr als fraglich: „Wir überlegen derzeit, ob wir unsere Zelte hier abbrechen und in München eine neue künstlerische Existenz aufbauen“, sagt Erwing Rau. Warum sollte man auch an der Weser gegen Windmühlen kämpfen, wenn im Süden der Rückenwind von selber weht? Martin Jahrfeld