: ÖTV: Verhandlungen sind gescheitert
■ Arbeitgeber wollen die Schlichtung anrufen und einen Streik vermeiden/ Sie bleiben bei 3,5-Prozent-Angebot/ Im Bankenkonflikt größter Streiktag seit 1949/ 12.000 Angestellte streikten
Stuttgart (afp) — Die Tarifverhandlungen für die 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Westdeutschland sind gescheitert. Dies teilte die Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Monika Wulf-Mathies, nach über zehnstündigen Verhandlungen mit den Arbeitgebern gestern nachmittag in Stuttgart mit. Formell soll der ÖTV- Hauptvorstand am Montag das Scheitern der Verhandlungen erklären. Der Verhandlungsführer des Bundes, Innenminister Rudolf Seiters (CDU), will in diesem Fall die Schlichtung anrufen. Die öffentlichen Arbeitgeber hatten ihr Angebot von 3,5 Prozent mehr Lohn und 75 Mark mehr Urlaubsgeld auch in der vierten Tarifrunde nicht nachgebessert.
Das 3,5-Prozent-Angebot sei nicht taktisch gemeint, unterstrich Seiters für die Arbeitgeber von Bund, Ländern und Gemeinden. Es gehe nicht nur um Löhne und Gehälter, sondern „auch um die Stabilität der D-Mark“. Die Gewerkschaften müßten wieder „auf den Boden der wirtschaftlichen Finanzpolitik“ zurückkommen. Sie fordern 9,5 Prozent mehr Lohn und 550 Mark mehr Urlaubsgeld.
Zuvor hatte bereits Wulf-Mathies vor der Großen Tarifkommission der ÖTV gewarnt: „Im Augenblick sieht es schlecht aus. Die Arbeitgeber müssen sich entscheiden, ob sie den Konflikt wollen.“ Die ÖTV traf nach eigenen Angaben umfassende organisatorische Maßnahmen zur Einleitung der Urabstimmung. Für die mehr als 2.000 hauptamtlichen Mitarbeiter sei eine generelle Urlaubssperre bis zum Ende der Tarifauseinandersetzungen vorgesehen.
Nach dem Anruf der Schlichtungskommission sind beide Tarifpartner verpflichtet, sich auf eine knapp sieben Wochen dauernde Schlichtung einzulassen. In dieser Zeit darf nicht gestreikt werden. Als Schlichter ist laut ÖTV der frühere Stuttgarter SPD-Innenminister Walter Krause als Vermittler vorgesehen. Er soll vom ehemaligen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) beraten werden, der auch schon als Schlichter tätig war.
Im westdeutschen Bankgewerbe kam es unterdessen zu den größten Streiks seit Bestehen der Bundesrepublik. Nach Gewerkschaftsangaben legten mehr als 12.000 Bankangestellte die Arbeit nieder. Allerdings hatten die Gewerkschaften insgesamt über 30.000 Beschäftigte zu Streiks aufgerufen.
Angesichts der Streiks sprach die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) vom einem „schwarzen Freitag“ für die Arbeitgeber. In den bestreikten Banken sind laut der Gewerkschaft HBV Zahlungsaufträge und Kreditgeschäfte im Wert von mehreren Millionen Mark nicht bearbeitet worden. Der Schwerpunkt der Streiks lag in Norddeutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen