Geflüchtete in Deutschland: Sind wir keine Menschen?

Bei der taz.meinland-Veranstaltung in München war Sayed Nasim Sadat im Publikum. In einem offenen Brief wendet er sich an die Bundesregierung.

Demonstration gegen Abschiebungen in München. Nasim Sadat kam aus Afghanistan in die bayerische Landeshauptstadt Bild: dpa

Bei der taz.meinland-Veranstaltung in München meldete sich ein junger Mann, Sayed Nasim Sadat aus Afghanistan, zu Wort: „Warum gelten die Menschenrechte nicht für uns Afghanen?“ Wir baten ihn darum, seine Gedanken in einen Text zu fassen.

Ich bin Sayed Nasim Sadat und komme aus einem sicheren Land, wo täglich 50 Menschen sterben. Die deutsche Regierung – und damit meine ich besonders Herrn Thomas de Maizière – behauptet, dass es in Afghanistan sichere Orte gibt. Aber sie hat noch nicht gesagt, wo genau sich diese Orte befinden. Das ist nicht überraschend. Denn es gibt dort keine sicheren Orte.

Ich gebe ein Beispiel aus dem Norden Afghanistans, wo ich als Dolmetscher für die Nato-Truppen gearbeitet habe. Bis 2014 waren dort mehr als 8.000 internationale Soldaten stationiert. Leider konnten sie die Situation nicht verbessern. Stattdessen wurden die Taliban und ihre Terroristen immer stärker. Danach hat ein großer Teil der internationalen Soldaten Afghanistan verlassen.

„Erzählen Sie nicht, dass es in Afghanistan sichere Orte gibt“

Und was 2015, 2016 und 2017 in Afghanistan passierte, ist bekannt. Immer mehr Menschen wurden ermordet – und nicht nur Regierungspolitiker und Mitarbeiter der Nato. Nein, ganz normale Menschen. In Kundus starben zwischen 2015 und 2016 mehr als 3.000 Menschen. In Kabul gibt es fast täglich Explosionen. Der afghanischen Regierung kann das egal sein, denn die afghanischen politischen Familien leben nicht in Afghanistan.

Anders als oft zu hören und zu lesen, steht Afghanistan nicht auf der Liste „sicherer Herkunftsländer“. Trotzdem werden mehr als die Hälfte aller Asylanträge von aus Afghanistan geflüchteten Menschen abgelehnt. Die Bundesregierung stuft einige Gebiete im Nord-Westen und im Norden des Landes als „konstant ausreichend sicher“ ein, nur dorthin finden Abschiebungen statt. Diese Einschätzung ist allerdings umstritten.

Jeder weiß, dass die afghanische Regierung und Politiker korrupt sind. Aber wenn jetzt die deutsche Regierung der afghanischen Regierung Geld zahlt, um die Afghanen wieder zurück in die Hölle zu schicken – wer ist dann korrupter? Herr Thomas de Maizière, Sie können sagen, dass die Afghanen nicht in Deutschland bleiben dürfen. Aber dann erzählen Sie nicht, dass es in Afghanistan sichere Orte gibt. Das stimmt nicht.

Manchmal frage ich mich, wieso die Menschenrechte für uns Afghanen in Deutschland nicht gelten. Wieso haben wir Arbeitsverbot? Wieso gibt es ein Ausbildungsverbot für uns? Leider habe ich bisher keine Antwort erhalten. Es tut mir sehr leid, sagen zu müssen, dass die Menschenrechte in Deutschland nicht für alle die gleichen sind.

Ihr Sayed Nasim Sadat