: Hinter vorgehaltener Zigarre
■ Die Grauwert-Galerie zeigt Portraits des Fotografen Frank Krems / Verkleidung der Gesichter auf ein Minimum reduziert
/Verkleidung der Gesichter auf ein Minimum reduziert
Von der Portraitfotografie wird fast immer erwartet, daß der Fotograf die abgelichtete Person von ihrer besten Seite zeigen möge. Dabei unterscheiden sich die Profis gar nicht so sehr von den Laienknipsern. Natürlich ist der technische Standard der ersteren ungleich höher, aber beim Versuch durch das Portrait zu idealisieren sind sich beide Gruppen ähnlich. Der Fotograf Frank Krems zeigt in der Grauwert-Galerie keine derart ins beste Licht gerückten Leute. Aber vielleicht empfindet er ja auch die gewisse Ernsthaftigkeit auf den Gesichtern der Menschen, die er fotografiert hat, als schön.
Einige der Portraitierten wenden sich nicht mal dem Betrachter zu, scheinen wie beiläufig aufgenommen. Helmut Schmidt zum Beispiel sitzt am Schreibtisch, seine Aufmerksamkeit gilt etwas anderem, nicht dem Fotografen. Schmidt hält eine Zigarette zwischen den Fingern - Blickfang für das Foto. Da schaut man zuerst hin, auf die weiße, vorgehaltene Zigarette. Zigarren und Zigaretten haben auf Krems wohl eine faszinierende Wirkung. Viele der von ihm Fotografierten haben sich mit einem Glimmstengel bewaffnet. Eine junge Frau hält eine eine dicke Zigarre zwischen sich und den Betrachter. Die schafft Entfernung. Und Ute Lemper, als Lola im Schauspielhaus, hat eine Zigarette im Mund.
Frank Krems hat die Personen gleichermaßen aus- und angezogen und ihnen so erspart, daß man ihnen zu nahe kommt. Sie sind so fotografiert, daß ihr Gesichtsausdruck sie anscheinend nicht mehr verbirgt, sondern offenbart. Das macht die Bilder so anziehend, daß die Verkleidung des Gesichts auf ein Minimum geschrumpft ist. Gleichzeitig strahlen sie dadurch überhaupt keine Nähe aus. Sie wirken abweisend, und das macht sie anziehend, weil sie nicht zu durchschauen sind. Man sieht nur einen klitzekleinen Ausschnitt, nur eine Momentaufnahme der Person. Bei den Portraits von Marianne Hoppe oder Helmut Schmidt ist das am deutlichsten. Die Personen spazieren an einem vorbei - Hoppe - oder sind sowieso mit etwas anderem beschäftigt - Schmidt. Ein flüchtiger Augenblick, mehr nicht.
Auch auf den vielen Akten ist kaum Statisches, Starres zu sehen. Keine Statik des sich in Pose-bringens, des Verharrens. Nein, das sind Ausschnitte aus Bewegungen, dadurch flüchtig und auch sich selbst überlassen.
Dann hängt da noch eine wunderbare Aufnahme des Künsterduos Gilbert & George. Sie stehen brav nebeneinander, Hände an der Hosennaht, wahrscheinlich im Foyer eines Hotels. Deckenbeleuchtung und ein Mosaik im Fußboden schaffen eine Atmosphäre wie „outer space“. Hanna Pretsch
Grauwert Galerie, Telemannstr. 27, bis Januar 1993
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