: Unterm Strich
Im Rahmen einer Lesereihe geplant, war die Sache eigentlich Routine, aber die Spannung außergewöhnlich, als Heiner Müller am Mittwoch abend im Berliner Ensemble Kafka las. Der wegen seiner (eingestandenen) Stasi-Kontakte angegriffene Ko-Intendant des BE machte keine Bemerkung zur Politik der Stunde. Er las Franz Kafka mit deutlichem Gewicht auf düstere und barbarische Geschichten. Als Stellungnahme werten konnten die Besucher, von denen zumindest die Scharen von Journalisten aus anderen als literarischen Motiven gekommen waren, einen kurzen Ausflug zu einem Fatzer-Text von Bertolt Brecht, in dem es heißt: „Du, der du die Ämter beherrscht hast, heize deinen Ofen!“ Es gab keinen Versuch aus dem Publikum, den Lesenden herauszufordern oder zu stören. Anstelle eines Programmheftes wurde das Heft „Drucksache1“ verkauft, mit einem Text „MOMMSENS BLOCK (für Felix Guattari)“ von Müller. Darin heißt es: „Eine Baumkrankheit von der Wurzel her/ Ein Krebs unterwandert von Nachrichtendiensten/ Die zwölf Apostel zwölf Geheimagenten/ Der Verräter liefert den Gottesbeweis/ Und das Firmenzeichen Saulus ein kolonisierter/ Bluthund spielt den Part des Sozialdemokraten“ (erhältlich über den Alexander Verlag, Berlin). Etwas überraschend hat gestern Frank Schirrmacher in der FAZ in sichtlicher Erregung Müller gegen einen Bericht in der Zeit verteidigt, wonach Müller für seine Spitzeldienste Geld-Präsente erhalten haben soll: „Die Zeit, die dies berichtet, entblödet sich nicht zu unterstellen, der vermögende Müller habe tatsächlich Geld für Spitzeldienste erhalten. Da wundert es auch nicht, daß in den beiden Artikeln der Hamburger Wochenzeitung zwei unterschiedliche Registriernummern Müllers angegeben werden.“ Der Kolumnist der Zeit hofft indessen auf Müllers „mafiotisches Stasi-Drama, in Blankversen“.
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