■ Entwurf fürs Regierungsviertel: Alle ausgetrickst
Der Berliner Architekt Axel Schultes bleibt verdienter Champion des Spreebogenwettbewerbs. Mit einer schlitzohrigen Überarbeitung seines Ost-West-Riegels trotzte er der Jury und Politikern. Das Bonner Genörgel an seinem Entwurf regte den Berliner vielleicht auf. Er war indessen cool genug, darauf gelassen zu reagieren. In das zweite – unverschämte – Rennen ging er darum nur zum Schein.
Was im Februar noch „ausgezeichnet“ und mit dem ersten Preis bedacht worden war, kann heute so schlecht nicht sein, mag sich Schultes gedacht haben und ließ bei der Überarbeitung fast alles beim alten. Das Preisgericht, pokerte er weiter, wird nicht sich selbst ad absurdum führen und so dumm sein, die einmal getroffene Entscheidung zu revidieren. Hatte nicht dieselbe Jury die Brillanz des Entwurfs, seine Schlichtheit und städtebauliche Gestalt als „genial“ bezeichnet? Das ganze Wettbewerbswesen, kombinierte Schultes, geriete bei einer Kehrtwendung zur Farce.
Schultes trickste mit einem Kunstgriff auch die Bonner Wünsche („etwas höher soll das Kanzleramt schon sein“) aus. Der angemahnten preußischen Strenge setzte er mit Masse noch eins drauf. Das Prinzip der Gleichheit der Bauten hatte Kohl und seinen Emissären sowieso nicht gefallen. Durchlässiger und integraler dagegen entwickelte Schultes nun die öffentlichen und parlamentarischen Bereiche bis zur Spree und in die Friedrichstadt. Hassemer schmunzelte zu Recht, als er sagte, Schultes spiele nun die Potentiale seines Entwurfs aus. Wir schmunzeln mit. Rolf Lautenschläger
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