piwik no script img

Ein Klavier. Ein Klavier?! Von Claudia Kohlhase

Umzug! Allein das Wort macht einem Schrammen auf der Seele. Aber da kommen sie schon, die drei Rabauken, mit Schritten wie Donnerhall, so daß das Treppenhaus sich augenblicklich ergibt. Weiter oben stehst erschüttert du und empfängst einen wilden Impuls, dich noch schützend vor deine zarten Möbel zu stellen, speziell vor das Tischchen mit dem Knickebein.

Aber schon wischen sie dich beiseite und legen sofort und derart Hand an die ersten Zimmerpflanzen, daß den Blättern schlecht wird. Und da es sich um einen alternativen, das heißt burschikosen Umzugspartner handelt, ist den drei jugendlichen Rabauken ihre relative Grußlosigkeit auch nicht nachzutragen – wo käme man hin, wenn man jeden Umzügler erst mal kennenlernen wollte! Im Prinzip sowieso alles verkappte Kapitalisten, die sich hier mit zupackenden Proletariern schmücken wollen! Diese allesamt in der schwarzen Kluft der Szene, bloß mit Muskeln drauf. Quasi die letzten, die für Geld noch arbeiten und ob des getupften Rocks der Auftraggeberin vermuten, diese sei Designerin oder im minder schweren Fall vielleicht Psychologin, das allerdings wegen der Brille.

Aber wer hält sich hier mit bürgerlichem Geplänkel auf, wo einen der Tatendrang zu drängen hat! Obwohl es gestern abend voll spät geworden und heute Montag ist, voll ätzend, ich soll mich schon mal über nichts wundern; und dann diese Treppen und das Monstersofa und wie: das Klavier? Ein Klavier?? Hier?? Wie ist das denn hier reingekommen? Na ja, dann kann das ja auch hier bleiben. Da kann ich mich gleich drauf verlassen, daß das hier nie wieder rauskommt. Zwischenzeitlich leert sich trotzdem zügig und wie von Zauberhand die Wohnung, während du verzweifelte Kreise um Klavier und Sofa ziehst und endlich psychologisch ausgefeilte Appelle an deine Packengel sendest, sie mögen Gnade walten lassen und spaßeshalber ihr Äußerstes probieren.

Ha, da durchzieht bellendes Gelächter das Treppenhaus, daß der Nachbarhund in der Pfanne verrückt wird: Wer ist denn so blöde? Zu zweifeln, daß hier nicht Äußerstes probiert wird! Ist man nicht schon dabei? Wer außer potentiellen Designerinnen mit zu klein geratenen Vorstellungen nimmt denn drei Rabauken ernst, in deren Hände sie sich freiwillig begeben hat? Das hat sie jetzt davon und soll spaßeshalber ruhig zittern und zagen und vor allem langsam mal Brötchen holen mit Käse und Schinken und Eierscheiben. Mein Gott: natürlich! Die Brötchen! Mit Käse und Schinken und Eierscheiben. Vielleicht noch mit Gurke?

Hauptsache weg hier! Und hin zum soliden Bäcker, wo geordnete Brötchen lagern und alles so aussieht, als wäre das Leben leicht und rund. Und du kaufst 15 Brötchen mit Käse und Schinken und Eierscheiben und sogar mehreres Schaumgebäck. Eine kleine Weile spielst du mit dem Gedanken, nicht umzuziehen, sondern auszuwandern, und zwar gleich hier vom Bäcker aus; der Proviant würde ja reichen.

Natürlich läufst du tapfer brav in deine Lage zurück und traust deinen Augen nicht: Da steht das Klavier auf der Straße, und drumherum grinsen drei Rabauken, als hätten sie dir eins ausgewischt. Aber sowieso wäre mit den Eierscheiben alles gut geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen