Freßpakete für Flüchtlinge

■ Sozialhilfe nur noch in Naturalien?

Berlin (taz) – Auf Anregung von Innenminister Frieder Birzele (SPD) will Baden-Württemberg dafür sorgen, daß ausnahmslos alle Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge Sozialhilfe nur noch in Form von Sachleistungen erhalten. Eine entsprechende Gesetzesinitiative kündigte Ministerpräsident Teufel jetzt im Stuttgarter Landtag an. Nach dem bisher geltenden und heftig umstrittenen Asylbewerberleistungsgesetz gilt das Sachleistungsprinzip nur für neu ankommende Asylbewerber, die noch nicht ein Jahr lang in Deutschland leben. Bürgerkriegsflüchtlinge und schon länger in Deutschland lebende Asylbewerber jedoch sind bisher laut Paragraph 2 des Gesetzes von dieser Regelung ausdrücklich ausgenommen.

Perfidie des baden-württembergischen Vorstoßes: Die geplante Gesetzesverschärfung ist ausgerechnet das Resultat eines für Flüchtlinge und Asylbewerber positiven Gerichtsurteils. Denn Anfang April hatte der Baden- Württembergische Verwaltungsgerichtshof die bisherige Sozialhilfepraxis der Stuttgarter Landesregierung für rechtswidrig erklärt. Baden-Württemberg hatte sich nämlich, ebenso wie die neuen Bundesländer, einfach über die Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes hinweggesetzt und auch schon länger in Deutschland lebenden Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen die Sozialhilfe in bar verweigert. Das aber, so stellte der Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung fest, verstößt gegen das Gesetz. Das Gesetz, so das Gericht, habe ausdrücklich nach der Aufenthaltsdauer und dem Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge unterschieden und festgelegt, daß Hilfe zum Lebensunterhalt „als Ausfluß der Menschenwürde“ grundsätzlich in Geld auszuzahlen sei. Und was der Gesetzgeber beschlossen habe, dürfe auf dem Verwaltungswege nicht in sein Gegenteil verkehrt werden.

Als Reaktion auf dieses Urteil hatten Landkreise und Städte in Baden-Württemberg zähneknirschend die Versorgung mit Essenpaketen gestoppt und die Gewährung von Geldleistungen an die betroffenen Flüchtlinge angekündigt. Dadurch mußten jedoch auch Verträge mit den Lieferanten aufgekündigt werden, für die die Zwangsversorgung der Asylbewerber ein lukratives Geschäft war.

Nach Schätzungen von Flüchtlingsgruppen kassieren bei der Gewährung von Sachleistungen die Lieferanten und Betreiber von Asylunterkünften den größten Teil der Sozialhilfe. Denn der tatsächliche Wert der gelieferten Essenpakete liegt oftmals um fünfzig Prozent unter den Sozialhilfesätzen.

Wenn nach dem baden-württembergischen Vorstoß das Asylbewerberleistungsgesetz jetzt verschärft werden sollte, werden statt bisher rund 100.000 dann 600.000 Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge nur noch mit Sachleistungen und Essenpaketen versorgt. Ein gutes Geschäft für die Hersteller des berüchtigten Plastikessens, eine Demütigung und Entmündigung für die Betroffenen. Deren Sozialhilfe fließt dann zum guten Teil an findige Geschäftsleute. Vera Gaserow