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Lokalkoloratur

Büchermenschen sind Süchtige. Nicht nur jene, welche ohne Unterlaß das bedruckte Papier anstarren, zeigen im richtigen Leben oft Symptome von Entzugserscheinungen, auch passionierte Hersteller können von den raschelnden, riechenden Wissensbehältern nicht mehr lassen, wenn sie einmal von den Papier-Suchtstoffen infiziert worden sind. Kurt Christians gehört zu diesen Maniacs. Der Seniorchef der berühmten Hamburger Christians Druckerei, deren Verlagserzeugnisse jedem einigermaßen Lesekundigen schon einmal begegnet sind, ist auch zwanzig Jahre nach der Pensionsgrenze noch fickerig auf die Geschehnisse in dem schmucken Betrieb neben der Oper. Christians, der am kommenden Tag der deutschen Zwietracht seinen 85. Geburtstag feiert, war selbst Schweizerdegen, also gelernter Drucker und Setzer, als er die 1740 gegründete Druckerei 1934 übernahm. Als Druckerei für alles – von Zoll-Formularen bis zu Programmheften für die Hamburger Theater – war Christians in der Stadt stets omnipräsent. Auf dem Verlagssektor erstritt Kurt Christians sich den Markt für Heimatliches, wobei das keineswegs unkritische Hamburgensien-Sammlung bedeutet. Christians, der sich mit Familie und Pferden auf seinem Gestüt bei Tötensen vergnügt, ist ebenso einer der letzten Hamburger Mäzene. Also ein Hanseat, wie man ihn nur lieben kann.

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