Eine „Hexe“ sprengt das „Sinngefüge“

■ Bürger der Stadt Münster wollen keine Straße namens Greta Bünichmann

Bonn (taz) – Greta Bünichmann hat weder mit dem Teufel paktiert noch Zaubertränke gemischt, noch Kinder und Pferde vergiftet. Was sie gestand, ist auf die Qualen der Folter zurückzuführen und nicht auf die Realität. Als „Hexe“ starb die Magd 1635 in der westfälischen Stadt Münster auf dem Scheiterhaufen, unschuldig. Nach Recherchen der Historikerin Sabine Alfing hatte sich Gretas Arbeitgeber bei ihr hoch verschuldet und wollte sich wohl ihrer auf diesem Wege entledigen. Das ist Stand der Forschung und müßte vernunftbegabten Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts eigentlich einleuchten. Trotzdem wird Greta nach über 350 Jahre erneut der Prozeß gemacht.

Auslöser dafür: Die Stadt Münster will Greta Bünichmann späte Wiedergutmachung angedeihen lassen. Die Bezirksvertretung Münster-Mitte beschloß im Mai deshalb, eine Straße im einem Neubauviertel nach Greta zu benennen. Den künftigen Anliegern im Wohngebiet paßte dies ganz und gar nicht. Man könne doch keine „Kapitalverbrecherin“ mit einer Straße ehren, so Ernst Schulte-Wintrop, selbsternannter Sprecher der Bauherren. Überhaupt passe der Name nicht „in das Sinngefüge“ der umliegenden Straßen. Die heißen Prozessionsweg oder Straße vom Guten Hirten, weil das Viertel auf Ex-Klostergelände liegt. Ein „Hexenviertel“ – das minderte womöglich den Wert der Eigenheime.

Schnell war der Hexenwahn entflammt, und in den beiden örtlichen Tageszeitungen tobt seit Wochen ein Leserbriefkrieg. Schützenhilfe bekamen die künftigen Anlieger vom zuständigen Pfarrer. Der gab seine ganz eigene Geschichtsklitterung zu besten und warf der Bezirksvertretung Münster-Mitte vor, „einer mutmaßlichen Kriminellen des Mittelalters“ eine Straße widmen zu wollen. Die Vorsitzende der Bezirksvertretung, Mechthild Düsing (SPD), hatte denn auch das Gefühl, „selbst in der Zeit der Hexenverfolgung zu leben“. Der Vorwurf, daß es schließlich ihre Amtsvorgänger gewesen seien – die Ratsversammlung Münster nämlich –, die das Urteil über Greta Bünichmann gefällt hätten, gehörte nicht zum schärfsten Tobak in diesem Streit.

Übrigens liegt das Neubauviertel unweit der Lamberti-Kirche, die demonstriert, wie Münster mit Andersdenkenen und Andersseienden verfährt. Am Kirchturm hängen noch immer als abschreckendes Beispiel die Käfige der sogenannten Wiedertäufer, einer religiösen Erneuerungsbewegung, denen im 16. Jahrhundert der Prozeß gemacht wurde. Myriam Schönecker