: Bitterer Reis
■ Neu im Kino: „Das Reisfeld“, eine kaum erträgliche Tragödie
Man muß wissen, auf was man sich einläßt, wenn man sich diesen kambodschanischen Film ansieht: An gefälliger Unterhaltung ist Regisseur Rithy Panh nicht im geringsten interessiert. Sein „Reisfeld“ ist ein langer, deprimierender Film, in dem man über zwei Stunden lang Reisbauern bei der harten Arbeit zusieht, während die portraitierte Familie für ihre Anstrengungen nur Tod, Wahnsinn und Armut erntet. Der Kritiker der „L'Humanite“ hat es auf den Punkt gebracht, wenn er „Das Reisfeld“ in eine Reihe mit anderen Filmen aus der Dritten Welt stellt, bei denen „das Kino nicht nur oberflächlicher Zeitvertreib ist, sondern lebenswichtig sein kann für diese Völker, die noch alles vor sich haben.“ Panh hat den Film mit großer Ernsthaftigkeit und Strenge inszeniert – da gibt es keine Verzierungen oder künstlerische Spielereien – es ist ihm wichtig, von den Lebensumständen dieser Menschen Zeugnis abzulegen. Und so erzählt er ganz einfach, im langsamen Rhythmus der Handarbeit, des Wetters und der Jahreszeiten ihre Geschichte, die eine kaum erträgliche Tragödie wäre, wenn die Bilder der wogenden Reisfelder nicht immer wieder einen poetischen Kontrapunkt setzen würde.
Der Reisbauer Vong Poeuw lebt mit seiner Frau und sieben Töchtern in einer natürlichen Ordnung, die leicht zu erschüttern ist. Eine Kobra, die die Frau im Reisfeld erschreckt und ein giftiger Dorn, in den der Bauer tritt, genügen, um die Familie mit erbarmungsloser Konsequenz ins Elend zu stürzen. Wie bei Gogols „Der Mantel“ wird vom Allernötigsten noch ein wenig weggenommen, und dadurch zerbricht das ganze Leben.
An den italienischen Neo-Realismus erinnern nicht nur die Geschichte und die ausführliche Schilderung der Arbeit, sondern auch die Inszenierung. Fast ausschließlich Außenaufnahmen an Originalschauplätzen und mit vielen Laienschauspielern.
Bei allem Elend müssen den Menschen im heutigen Kambodscha die Lebensbedingungen in diesem Film geradezu idyllisch erscheinen: Die Bauern leben noch in einer funktionierenden Dorfgemeinschaft im Kambodscha der frühen 60er Jahre. Abgesehen von einem Moped und einem klapprigen Autobus ist das industrielle Zeitalter noch nicht in diese bäuerliche Kultur vorgedrungen, und die Schrecken der Roten Khmer leuchten nur kurz am Rande in einem Fiebertraum des Bauern auf. Obwohl die Ernte dem Reisfeld nur mit extrem viel Arbeit und Opfern abgetrotzt werden kann, ist da auch immer eine Harmonie der Menschen mit der Natur zu spüren – sie bietet den einzigen Trost in diesem Film, den man sich sehend erarbeiten muß. Wilfried Hippen
Cinema tägl. 20.30 Uhr Originalfassung mit Untertiteln
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