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Bildertraum vom eigenen Tod

■ Eben auf der Berlinale, demnächst in Ihrem Kino: die Bremer Produktion „Totentraum“, ein Film von Ayhan Salars

Fast alle waren in diesem Jahr unzufrieden mit den Berliner Filmfestspielen: viel Mittelmaß, kaum Stars und die altbekannte Malaise des deutschen Films – aber die kleine Gemeinde der Bremer Filmemacher hatte Grund zum Feiern. Einer von ihnen wurde nämlich mit seinem Film für das Programm des Panoramas eingeladen und erntete dort nur Lob. Das heißt nun nicht, daß in allen Zeitungen enthusiastische Besprechnungen standen, den Ayhan Salars „Totentraum“ ist ein 15 Minuten langer Kurzfilm, der in der Nebenreihe „art & essai“ vor einem obskuren türkischen Spielfilm gezeigt wurde. Aber das Publikum klatschte lange und immerhin kamen zwischen 1000 und 2000 Zuschauern zu den vier Vorstellungen.

Bei der ersten Projektion des Films vor zahlendem Publikum im Atelier des Zoopalastes war dann ein Großteil der Bremer Filmszene im Saal versammelt, und staunenden Auges konnten die Kollegen erleben, daß sich hier einer von ihnen mal nicht bis auf die Knochen blamierte, wie es etwa vor zwei Jahren Thomas Mitscherlich mit „Die Denunziantin“ passierte.

Salars Film erzählt von der Heimatlosigkeit der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland, von den enttäuschten Hoffnungeneines guten Lebens in der Heimat nach einigen Jahren harter Arbeit in der Fremde. Dieser Lebensentwurf vieler Türken aus der Generation seiner Eltern ist für Salar eine gescheiterte Utopie – ein Totentraum. In den ersten Bildern des Films sieht man einen jungen Türken zögernd und barfuß aus einem Eisenbahnwaggon auf einen Bahnsteig in Deutschland treten. Im letzten Bild schaut er zu, wie sein eigener Sarg in den gleichen Zug verladen wird. Dazwischen zeigt der Film, wie die Leiche des jungen Türken gemäß der muslimischen Tradition rituell gewaschen und auf die Beerdigung vorbereitet wird. Eine Frauenstimme liest dazu aus den Briefen von seiner Frau, in denen um Geld und Geschenke gebeten wird, und die widrigen Umstände geschildert werden, die es ihm unmöglich machen, heimzufahren. Der Kontrast zwischen dem behutsamen Umgang mit der Leiche (voller „liebevoller Würde“, wie in der Diskussion nach dem Film gesagt wurde) und den Briefen, die wie ein trauriges, zärtliches, und doch erbarmungsloses Todesurteil wirken, macht die große emotionale Wirkung des Filmes aus. Auch wenn man nicht alles versteht, und zum Beispiel nicht weiß, daß bloße Füße ein Traumsymbol für den eigenen Tod sind, wird man von der Sinnlichkeit der Bilder und der Töne bewegt. Die Stimmung der feierlichen Waschungen der Leiche in einem kargen, feuchten Raum – und dazu das stetig, laute Tropfen eines Wasserhahns: Das sind filmische Eindrücke, die lange in der Erinnerung hängen bleiben. Und das ist bei der Reizüberflutung auf der Berlinale eine tolle Leistung.

Ayhan Salar sagt, er habe vorher am meisten Angst vor den Reaktionen der Türken im Publikum gehabt. Aber auch von dieser Seite gab es nur positive Reaktionen. Sogar zwei junge türkische Rapper hätten ihm nach der Vorstellung kräftig auf die Schultern geschlagen und gesagt, sie würden sich in diesem Film wiedererkennen.

Diese Produktion des Bremer Institut Film/Fernsehen ist mit einem Budget von 200.000 Mark auch einer der aufwendigsten hier produzierten Filme des Jahres. Gedreht wurde er übrigens in und bei Hamburg, denn von dort kam ein Teil des Geldes und die Hamburger Filmförderung hat sehr strenge Bestimmungen. Aber das soll uns Lokalpatrioten jetzt nicht weiter verdrießen. Im März ist „Totentraum“ zum ersten Mal in Bremen auf dem Filmfest zu sehen (im Kino 46), und dort wird er sicher als der Berliner Gewinner aus Bremen gefeiert. Wilfried Hippen

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