piwik no script img

Per Gericht Markterfolg für Öko-Food erstreiten

■ KonsumentInnen vermuten beim Öko-Betrieben „in Umstellung“ immer noch Chemieeinsatz. Eine Umfrage bestätigt Behinderung in der Vermarktung

Würzburg (taz) – Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof soll mit der Verwirrung des Verbrauchers beim Öko-Begriff „in Umstellung“ aufräumen. Franz-Josef Grenzebach, Geschäftsführer des bayerischen Öko-Teeversenders „nur natur“, möchte den Begriff aus den EG- Richtlinien gestrichen sehen. Grenzebach begründet seinen Zorn: „Unsere Klage in Brüssel soll diesen Unsinn regulieren, damit biologisch wirtschaftende Betriebe schnell die Chance haben, als anerkannter Ökobetrieb auf den Markt zu gehen.“

Eine von Grenzebach initiierte Umfrage unter rund 5.000 seiner Biokunden – die erste dieser Art überhaupt – hatte ergeben, daß die Bezeichnung „in Umstellung“ den jungen Bio-Betrieben ausgerechnet in der ökonomisch labilen Anfangsphase schadet. Befragt wurden im Sommer 1995 StammkundInnen, die regelmäßig in Naturkostläden einkaufen. 65 Prozent der Befragten waren AkademikerInnen, 12,5 Prozent mit Promotion. Unter den 4.942 Antworten auf die Frage, welche Bedeutung der Begriff „in Umstellung“ habe, waren 4.693 Befragte der fälschlichen Ansicht, so ausgezeichnete Produkte würden nach wie vor mit Chemieeinsatz erzeugt.

Seit dem 1. Januar 1993 dürfen Produkte in EU-Europa mit der Kennzeichnung Bio, Öko u. ä. nur dann werben, wenn sie verordnungsgemäß erzeugt, verarbeitet, kontrolliert und gekennzeichnet wurden. Haben sich Erzeuger einmal verpflichtet, ökologisch und ohne Kunstdünger und chemische Schädlingsbekämpfungsmittel zu produzieren, dann müssen sie dies von der ersten Woche an auch konsequent und nachprüfbar tun. Für den Landwirt bedeutet das trotz Subventionen ein hohes Risiko, denn die Erträge können zunächst um bis zu 50 Prozent zurückgehen. Ein Ausgleich durch einen besseren Preis für das „Bio-Produkt“ ist nicht unmittelbar möglich, denn im ersten, dem sogenannten Nulljahr, darf er seine Produkte nicht entsprechend kennzeichnen. Im zweiten und dritten Jahr kann er mit dem Öko-Label werben, muß allerdings den Begriff „in Umstellung“ hinzufügen.

Auch im Bio-Handel ist man sich der abschreckenden Wirkung des Begriffes bewußt und umgeht ihn möglichst. Eine geringfügige Zumischung von Produkten aus noch nicht anerkannten Betrieben ist ohnehin erlaubt. Milchprodukte, Backwaren, Müslis oder Marmeladen, die eindeutig aus Betrieben „in Umstellung“ kommen, sind kaum mehr in den Regalen. Offiziell über diese Problematik sprechen mag aber so recht niemand. Dabei handelt es sich bei dem Begriff „in Umstellung“ eher um einen Papiertiger, denn schon während des Nulljahres sinken die Schadstoffbelastungen der produzierten Lebensmittel in der Regel auf einen Wert unterhalb der Nachweisgrenze. In den folgenden zwei bis vier Jahren „in Umstellung“ bleibt die „Bio-Qualität“ der produzierten Lebensmittel hinsichtlich ihrer Schadstoffbelastung gleich, wie das mit Lebensmittelproben befaßte Labor Biochem Analytik in Kitzingen bestätigt.

Von den großen Öko-Fachverbänden steht Demeter dem Klageinhalt ablehnend gegenüber. Für Michael Olbrich-Mayer vom Forschungsring für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise ist der Begriff „in Umstellung“ „aus unserer Sicht sachgerecht. Ob er marktgerecht ist, darum haben wir uns nicht zu kümmern. Märkte ändern sich schnell, die Natur nur langsam.“ Der Unternehmer Grenzebach sieht das anders: Das von ihm beauftragte Anwaltsbüro wird die Klage vor dem EG-Gerichtshof im Frühjahr einreichen. Rudolf Langer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen