: Frank Haller – Bremens „letzte Chance“
■ Wirtschaftsstaatsrat verteilt Investitions-Sonderprogramm-Gelder um / Ressorts protestieren
Sechs Seiten umfaßt das Papier, das gestern wie eine Bombe in den Senatsressorts und bei den Fraktionen eingeschlagen ist: Unter Federführung von Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller hat eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Finanz- und des Wirtschaftsressorts die 4,8 Milliarden Mark aus dem Investions-Sonderprogramm (ISP) neu verteilt – angeblich die „letzte Chance“ Bremens.
Nach der vertraulichen Vorlage, die der taz vorliegt, sollen die Bonner Milliarden in „Schwerpunktprojekte“ wie den Space-Park (94 Mio), den Ocean Park (250 Mio), die Fischereihafenschleuse (250 Mio), die Carl-Schurz-Kaserne (300 Mio), das Lürssen-Gelände (80 Mio), die Umstrukturierung der Häfen rechts der Weser (100 Mio) und in das Airport-Gewerbezentrum (120 Mio) fließen. Dafür sind die Förderung von Recycling- und Entsorgungstechniken, die Altlastsanierung, Projekte wie „Stadt am Fluß“, „Citynahe Arbeitsplätze“ oder Maßnahmen zum Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs geopfert worden. Sie sollen jetzt aus dem Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm (WAP) bezahlt werden – der Topf, aus dem eigentlich Großprojekte wie Space-Park, Ocean-Park hätten finanziert werden müssen.
Am 4. Juni soll die Vorlage im Senat beschlossen werden. Doch schon im Vorwege haben einige Senatoren ihren Protest angemeldet. Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD) hat einen Brief an Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) geschrieben. Sie will von ihm die feste Zusage, daß sie das Geld auch tatsächlich aus dem WAP bekommt. In Anbetracht der Tatsache, daß die WAP-Gelder verteilt und von Kürzungen bedroht sind, ist es allerdings fraglich, ob sich Nölle darauf einläßt.
Doch das ist nicht der einzige Pferdefuß, mit dem die Senatorin nicht leben will. Die „Entlastungsstraße Technologiepark-Lilienthal/Georg-Bitter“ durch den Hollergrund (97 Mio), die die Haller-Gruppe eingeplant hat, „ist mit der SPD nicht zu machen“, erklärte Wischer gestern bestimmt.
Auch im Häfenressort regt sich gegen die Hallerschen Pläne Protest. Satte 100 Millionen Mark hat der Wirtschaftsstaatsrat für die Carl-Schurz-Kaserne gestrichen – und zwar ohne Absprache mit dem zuständigen Häfenressort. 250 Millionen Mark sollen für den Ausbau der Fischereihafenschleuse ausgegeben werden. Der Ausbau des südlichen Fischereihafens zählte ursprünglich zu den bevorzugten „Schwerpunktprojekten“. Jetzt steht er unter „WAP-Aufstockungen“ und untersteht nicht mehr dem Häfen-, sondern dem Wirtschaftsressort: Da die Milliarden aus WAP und ISP unter der Hoheit des Wirtschaftsressorts verteilt werden, „versucht Haller auf diese Weise, sich alles unter den Nagel zu reißen. Die Ressorts werden entmachtet“, sagt ein Behördenvertreter.
Auch ansonsten birgt das Hallersche Papier jede Menge Zündstoff: An der Ritterhuder Heerstraße soll ein Verbraucherzentrum gebaut werden – ein Projekt, das bisher noch von keinem Gremium je beschlossen worden ist. Das gleiche gilt für die Nutzung des Lürssen-Geländes. 80 Millionen Mark sollen dafür ausgegeben werden – wofür bleibt unklar. Ein Teil des Geldes sei für den Ausbau der Vegesacker Innenstadt gedacht, so ein Behördenvertreter. Die Kaufleute, die gegen die geplante Ansiedlung eines weiteren Verbrauchermarktes protestiert hatten, sollen auf diese Weise „mundtot“ gemacht werden.
Fraglich ist auch, wofür die 250 Millionen Mark für den Ocean-Park ausgegeben werden sollen – bisher gibt es weder Investoren, noch war die Köllmann GmbH, die den Park entwickeln soll, in der Lage, präzise Pläne für das Areal am Alten und Neuen Hafen in Bremerhaven vorzulegen. 94 Millionen Mark sind für den Space-Park veranschlagt – nicht eingerechnet jene Millionen, die an die Firma Kramer für das Grundstück gezahlt werden müssen. Die Firma pachtete es 1994 in Erbpacht. Eingerechnet wurden hingegen 28 Millionen Mark für Investitionen, die früher auf dem Grundstück getätigt wurden. Ob solche „Altlasten“ aus dem ISP, das für zukünfigte Investitionen gedacht ist, finanziert werden können, ist juristisch bedenklich.
Auch die Bürgerschaftsfraktionen nahmen das Papier kritisch ins Visier. SPD-Chef Christian Weber nannte die plötzlich geplante Straße durch den Hollergrund „eine Frechheit“.
„Haller hat den Restbestand der Ampel beseitigt“, sagte der grüne Fraktionssprecher Ralf Fücks. „Offenbar fühlt sich die CDU jetzt stark genug, alle grünen Elemente des ISP zu tilgen. Das ISP wird gründlich eingeschwärzt – Umwelttechnik und Stadterneuerung entfallen zugunsten von Straßenbau und touristischen Luftschlössern Marke Space-Park und Ocean-Park. kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen