: Kaisers Bart, Staatsdieners Rente
■ Öffentlicher Dienst: Betriebsrente statt Ruhegeld? Beamtenversorgung reißt Etat-Loch
Deutliche Worte eines Interessenvertreters: „Purer Lobbyismus. Sinnlos.“ Rolf Fritsch, Chef der Hamburger ÖTV, mag diese Winterloch-Frage gar nicht erst beantworten: Was ist teurer für Hamburg – ein Beamter oder ein Angestellter im Öffentlichen Dienst? „Ein Streit um des Kaisers Bart“, sagt Fritsch. Und wirft lieber diesen Stein ins Wasser: Die Ruhegeld-Regelung für Hamburgs städtische Angestellte „kann überhaupt nicht so bleiben, sonst geht der Hamburger Haushalt vor die Hunde.“
Recht hat der Mann. Und greift dennoch ein wenig zu kurz. Nicht nur das sogenannte Ruhegeld (eine Art städtischer Zusatz-Rente) reißt Jahr für Jahr ein größeres Loch in den Stadt-Etat. Auch die Versorgungsleistungen für die Beamten wachsen in derartige Höhen, daß es Hamburgs oberstem Kassenprüfer, Rechnungshofpräsident Hermann Granzow schwindelt. Man müsse überlegen, mahnte Granzow bereits vor einem Jahr mit äußerst vorsichtiger Wortwahl, ob die „gegenwärtige Unbefangenheit des Senats“ im Umgang mit der Versorgungslast von Dauer sein könne.
Ist sie, bisher jedenfalls. Zwar beteuern Senat und Regierungsfraktionen eifrig ihren Sparwillen und streichen kräftig im Stellenplan. Ein Gesetzentwurf aber, der zumindest das Versorgungsproblem für die 50.000 Angestellten entschärfen könnte, dümpelt seit Jahren in der Bürgerschaft. Über 230 Millionen Mark gibt die Stadt derzeit jährlich für das sogenannte Altersruhegeld aus, das die Angestellten-Renten ein wenig aufpäppeln soll. Tendenz steigend.
Problem: Für die Zahlungen gibt es kein Rücklagen-System, die Zusatz-Renten müssen aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden. Abhilfe schaffen könnte ein von der ÖTV vorgeschlagenes und vom inzwischen zum Innensenator aufgestiegenen früheren Finanzstaatsrat Wrocklage befürwortetes Betriebsrentensystem samt Rücklagenbildung. Dessen Vorteile: Kostengünstigere Finanzierung, Abkoppelung der Zahlungen vom laufenden Haushalt, einfacheres Berechnungsverfahren. Internes Fazit des Personalamts, gezogen im Februar 1991: „Für eine Beibehaltung des Ruhegeldgesetzes finden sich keine plausiblen Gründe.“ Konsequenzen: bis heute keine.
Während Hamburg die Altersversorgung der Angestellten aus eigener Kraft neuregeln könnte (wenn man den wollte), sind Stadtstaat wie Bundesländern bei den Beamtenpensionen die Hände gebunden. Einzige Möglichkeit zur Intervention: Weniger Neueinstellungen. Ansonsten heißt's zahlen, zahlen, zahlen. Gut eine Milliarde Mark gibt Hamburg in diesem Jahr für die Versorgung seiner Staatsdiener a.D. aus, in zehn Jahren dürfte es doppelt so viel sein – deftigem Stellenzuwachs und großer Beförderungsfreudigkeit in den 70er und 80er Jahren sei Dank.
Kein Wunder, daß Peter Binzek, Leiter des Personalamts, inzwischen „Handlungsbedarf“ für die Finanzierung der städtischen Rentiers ausgemacht hat. Was genau zu tun ist, ob sich Hamburg zum Beispiel der Forderung der Kieler Ministerpräsidentin Heide Simonis anschließt, künftig auch Beamte zwecks Altersvorsorge zur Kasse zu bitten, darüber ist man sich im Rathaus bisher noch nicht klar. Abwarten heißt die Devise. uex
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