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Zuwenig Prozente für Ost-Staatsdiener

■ ÖTV im Osten will Nachverhandlungen: Spaltung zwischen Ost- und Westlöhnen

Berlin (taz/AFP) – Die ÖTV- Bezirke in Ostdeutschland werden Nachverhandlungen für den Schlichterspruch im öffentlichen Dienst beantragen. Damit wollen die Gewerkschafter versuchen, die Ostlöhne weiter an das Westniveau anzupassen. In den Bezirken laufe ein „sehr emotional geführter Diskussionsprozeß“ über das Schlichtungsergebnis, bestätigte ÖTV-Sprecher Thomas Wunder.

Der Schlichterspruch sieht vor, daß die Einkommen der rund 900.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Osten erst im September 1997 um lediglich einen Prozentpunkt auf 85 Prozent des Westniveaus angeglichen werden. Dies ist den Ost-Bezirken der Gewerkschaften ÖTV und DAG zuwenig.

Der sächsische ÖTV-Bezirkschef Wolfgang Anschütz drohte, daß die Ost-Bezirke in der Großen Tarifkommission gegen den Schlichterspruch stimmen werden, wenn es nicht zu Nachbesserungen kommen sollte. In Mecklenburg- Vorpommern, das gemeinsam mit Schleswig-Holstein eine Tarifkommission bildet, gibt es den Angaben zufolge dagegen die „Tendenz für eine mehrheitliche Zustimmung“.

Über den Schlichterspruch wird heute zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern verhandelt. Dann entscheidet die ÖTV in ihrer Großen Tarifkommission, ob sie das Ergebnis annimmt. Die ostdeutschen Bezirke verfügen in dieser Kommission allerdings nur über 91 Stimmen gegenüber 124 Stimmen aus dem Westen. Auch ohne die Zustimmung der ÖTV in den neuen Bundesländern wäre also eine Annahme des Schlichterspruchs möglich. Es gilt als unwahrscheinlich, daß die ÖTV wegen der Ost-Prozente einen Arbeitskampf risikiert.

Anschütz berichtete im Inforadio Berlin-Brandenburg von großer Betroffenheit und Wut bei den ostdeutschen Gewerkschaftern über den Schlichterspruch. Den Arbeitgebern sei eine Spaltung zwischen Ost und West gelungen. Bundeskanzler Kohl hingegen bewertete den Schlichterspruch als überaus positiv. Das Ergebnis könne sich „fünfmal“ sehen lassen gegenüber jedem Tarifvertrag, der in der Privatwirtschaft abgeschlossen worden sei, betonte er in der ARD.

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