„Wie in einem schlechten Traum“

■ PUA-Polizeiskandal: Der Kronzeuge packt aus / Über Scheinhinrichtungen und „kleine Mistigkeiten“ / Aber nicht „grundsätzlich rassistisch“ Von Sannah Koch

Schon die „Normalität“ in der Revierwache in der Kirchenallee (St. Georg) bot 1991 und 1992 Stoff für Gruselfilme. Sehr detailliert packte der Kronzeuge im Hamburger Polizeiskandals, Uwe Chrobok, gestern vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) über die Zustände in der Polizeiwache 11 aus. Dabei bestätigte und ergänzte er bereits bekanntgewordene Informationen (taz berichtete mehrfach).

„Kleine Mistigkeiten“, so der Kronzeuge, hätten den Alltag und die Verhaltensweisen vieler Beamte geprägt. Bei der Festnahme von Schwarzafrikanern sei es oft zu „provozierten Widerständen“ gekommen. Grundsätzlich hätten die Beamten diese in Deutsch angesprochen und Nicht-Verstehen zum Anlaß für „brutale Durchsuchungen“ genommen. Üblich sei es auch gewesen, Schwarze mit über den Kopf gefalteten Händen in die Wache zu führen; dabei sei jeder Mauervorsprung genutzt worden, um „die Festgenommenen dagegen zu rempeln“. Ihr Stolpern wurde dann erneut als Rechtfertigung für härteres Zupacken genutzt.

An der Tagesordnung, so Chrobok, seien auch „Spielchen“ wie das Durchschneiden von Schnürsenkeln und Gürteln der Schwarzen sowie das Öffnen ihrer Talismänner (Lederbeutel mit Koransuren und Heimaterde) gewesen. Gang und gäbe war es offenbar auch, deren Geldbeutel „auszumisten“. „Fahrkarte, Telefonzettel und andere persönliche Sachen wurden rausgenommen und vernichtet“, so der 35jährige Polizist.

Bei Festnahmen von größeren Gruppen bediente man sich in der Wache einer besonderen Praxis: Die Schwarzen wurden auf dem Rücken gefesselt und im Flur mit dem Gesicht zur Wand aufgestellt. Dann kam das Kommando: „Don't talk, don't move“. Wer sich bewegte, wurde auf den Hinterkopf geschlagen, so daß er mit dem Kopf an die Wand knallte. Dies sei „täglicher Ablauf“ gewesen.

Chrobok, der seit 1993 an der Landespolizeischule eine Ausbildung zum gehobenen Kriminaldienst macht, schilderte zudem, daß er Ende 1991 beobachtete, wie ein Beamter (deren Namen im Ausschuß nur mit Nummern verschlüsselt wurden) einen entkleideten Schwarzen vor einer Sammelzelle mit CS-Gas besprühte. Danach sei dieser mit fünf weiteren Schwarzen in die Zelle geschoben worden und derselbe Beamte habe den gesamten Inhalt der Dose in die Zelle gesprüht. Auf seine Frage: „Bist du nicht ganz dicht?“ habe der Kollege geantwortet: „Laß das mal meine Sorge sein.“

Beobachtet hat Chrobok auch, wie der „Beamte Nr. 11“ einen entkleideten Schwarzen vom Hals zu den Genitalien mit einem Desinfektionsspray einsprühte. Dieses Mittel soll laut Aufdruck nicht mit Augen, Haut und Schleimhäuten in Kontakt kommen. Chrobok habe damals den Vorfall einem Vorgesetzen ohne Namensnennung geschildert. Danach habe er solche Vorfälle nicht mehr beobachtet. „Oft habe ich mich wie in einem schlechten Traum gefühlt“, so Chrobok.

Schlimmer noch waren jedoch seine Schilderungen der „Beamten Nr. 7“ und „11“, die Ende 92 eines Nachts vor ihm mit ihren Schandtaten prahlten. „Heute haben wir wieder einen schönen Neger verladen“, hätten sie erzählt. Auf seine Nachfrage erklärten sie ihm, sie hätten einen Schwarzen an den Hafen mitgenommen und ihn sich dort entkleiden lassen. Dann hätten sie ihm die Waffe an den Kopf gestzt. „Vorher entladen und dann klick“, so einfach sei diese Art der Scheinhinrichtung. „Der hat sich vor Angst zugeschissen“, hätten die Beamten gelacht. Auf seine Frage, ob sie keine Angst hätten, am Autokennzeichen wiedererkannt zu werden, habe es geheißen: „Das kann man ja zudecken“.

Obwohl es geklungen habe, als sei diese Scheinhinrichtung kein Einzelfall gewesen, so der Kronzeuge, habe er damals einfach nicht glauben wollen, daß seine Kollegen zu derartigen Übergriffen fähig sind. Das Verhalten seiner Kollegen wollte Uwe Chrobok gestern nicht als grundsätzlich rechtsextrem oder rassistisch bewerten. „Hätte die Führung die Direktive ausgegeben: 'Macht den Bahnhof pennerfrei', wären die und nicht die Schwarzen die Opfer gewesen.“

Die Vernehmung des Zeugen dauerte bei taz-Redaktionsschluß noch an.