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„Ehrenrettung“

■ betr: „Briefe aus deutscher Ver gangenheit“, „CSU: Dieses Bild bedroht Deutschland“, „Schwarz braune Allianz“, taz vom 20.2. 97

Die Formulierung, die CSU „goutiert die Rechtsaußenwähler“, finde ich zu platt, als daß sie dem Problem gerecht würde. Es scheint eher um alltägliche „Pathologien der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft“ (Zitat aus: „Gegen Vergessen – für Demokratie“, Autor ist mir leider entfallen) zu gehen. Deutschland wähnte sich befreit von allem Bösen und mithin auch nicht mehr so recht verantwortlich. Daß die Befreiung nur heißen kann, zu erkennen und zu lernen, gilt manchen immer noch als akademisch-überhebliche Lebensfremdheit. Man hiefe das Problem auf eine Stufe, an die man (in der CSU) nicht heranreicht und entlaste so seine Wählerklientel ...

Im Ernst: „Die“ Wehrmacht wird ebensowenig durch die Ausstellung entehrt, wie sich „die“ Wehrmacht irgendeine Heldentat zugute halten könnte. Daß einzelne Angehörige der Wehrmacht durchaus ehrenvoll und menschlich gehandelt haben, sollte ebensowenig bestritten werden wie die unsäglichen Verbrechen, die von Soldaten begangen wurden. Angesichts der Tatsache, daß die Wehrmacht an sich höchstens als Stütze des NS-Regimes zu sehen ist, muß sogar dem einzelnen Deserteur zugestanden werden, aus ehrenhaften Motiven gehandelt zu haben.

Welche Lehre ist daraus zu ziehen: Kollektive Ehre ist eine Perversion der Idee der Ehre – ebenso wie kollektives (Vor-)Verurteilen (von Deserteuren) eine Perversion von Recht ist.

Ich hoffe, daß viele Soldaten der Bundeswehr sich diese Ausstellung ansehen; und daß sie, wenn sie herauskommen, sich nicht nur als Bürger in Uniform fühlen, sondern für Bürger- und Menschenrechte auch eintreten. Das wäre für mich ehrenhaft. Roland Bösker, B.A., Oberleut-

nant der Reserve, Hannover

Sehr geehrter Herr Gauweiler, ein Vorschlag zu Ihrer eigenen „Ehrrettung“:

Die satten Gewinne, die dieser Staat sich über Tabaksteuern mit durchaus gutem Gewissen u.a. mit Herrn Reemtsma teilt (wobei bei letzterem deutlicher erkennbar ist, zu welchem gesellschaftlichen Nutzen er diese Gewinne umverteilt, als bei der CSU), könnten zum Beispiel einfließen in:

– die Erhöhung der Entschädigungsleistungen des deutschen Staates an polnische ZwangsarbeiterInnen während der NS-Zeit,

– die Entschädigungsleistungen für Opfer der NS-Herrschaft in Lettland,

– den Erhalt etlicher ehemaliger Konzentrations- und Zwangsarbeitslager als Gedenkstätten oder auch einfach nur in den (Wieder)aufbau einer perspektivischen Jugendpolitik, damit solche Geschehnisse wie in Magdeburg-Olvenstedt nicht in Zukunft zu unserem Alltag gehören. [...] Carolina Böhm, Berlin

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