■ Die Anderen: "Berliner Zeitung" zu Volker Rühes Forderung nach einer roten Armee / "La Liberation" zum CNN-Interview mit dem iranischen Präsidenten Chatami / "De Volkskrant" schreibt zu Algerien
Die „Berliner Zeitung“ meint zu Volker Rühes Forderung nach einer roten Armee: Das ist schon kein Geniestreich mehr, das ist Vorwärtsverteidigung vom Feinsten. Der neueste Plan von Volker Rühe könnte alle Probleme der Bundeswehr auf einmal lösen. Der Hardthöhe-Chef will die Bundeswehr durch „mehr Soldaten aus dem linkeren Spektrum“ repräsentativer machen – und damit vor rechtsextremen Vorfällen schützen. Anzeigenkampagnen im Alternativblatt taz sollen aus potentiellen Zivis politisch korrekte Zeitsoldaten machen. Die Unterwanderung von oben (Slogan: „Ja, Linke!“) könnte weitere Nebeneffekte haben, die von Rühe allerdings noch geheimgehalten werden: Bald schon machen die kritischen Soldaten vom „Darmstädter Signal“ ihren Laden endgültig dicht; Zigaretten-Erbe Reemtsma kann seine gemeine Wehrmachtssausstellung einpacken, und beim öffentlichen Zapfenstreich der roten Armee könnte auf weiträumige Polizeisperren verzichtet werden. Nur die Sache mit den fehlenden Verweigerern scheint nicht durchdacht: Denn die alten Kameraden, die sich im Pflegeheim von heimatlos gewordenen Skinheadtruppen betreuen lassen wollen, werden nun wirklich immer weniger.
„La Liberation“ (Paris) schreibt zum CNN-Interview des iranischen Präsidenten Chatami: Mohammed Chatami hat den sanften Weg, den kulturellen Weg, jenen des Dialogs der Völker und der Intellektuellen gewählt, um sich den Vereinigten Staaten anzunähern. Dieser Ansatz hat in den Augen der amerikanischen Verantwortlichen nicht die Vorteile des schnellen, politischen Weges, jenes des direkten Kontaktes zwischen den Vertretern der beiden Länder, der für Chatami sehr viel schwieriger durchzusetzen gewesen wäre. Tatsächlich bleiben die Beziehungen mit Washington ein Tabu für ein Regime, das insbesondere auf den Haß auf die Vereinigten Staaten aufgebaut ist. Aber zum ersten Mal seit der Revolution von 1979 ist ein iranischer Führer das Risiko eingegangen, eine Versöhnung mit den USA vorzuschlagen. Der neue Präsident hat damit das Tabu gebrochen.
„De Volkskrant“ (Amsterdam) schreibt zu Algerien: Die algerische Regierung bagatellisiert den Ernst der Lage und wendet sich scharf gegen jede „Einmischung des Auslands“. Diese abwehrende Haltung nährt wieder Gerüchte, wonach die Regierung selbst oder Teile des Sicherheitsapparats für die Morde verantwortlich sind. Diese furchtbare Beschuldigung kann unwahr sein oder nur teilweise wahr. Über jeden Zweifel erhaben aber ist, daß die Regierung nicht imstande oder nicht bereit ist, die eigene Bevölkerung in ausreichendem Maße gegen Mord und Totschlag zu beschützen. Nur die inzwischen von den USA, den UN und der EU geforderte unabhängige Untersuchung kann die dringend nötige Klarheit schaffen.
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