Grüne Fischer trifft olivgrünen Speidel

■ Vor dem Gelöbnis: Andrea Fischer auf Besuch in der Leber-Kaserne

Vor der Kanone wollte sich Andrea Fischer dann doch nicht fotografieren lassen. „Ich kann doch nicht Werbung für die Bundeswehr machen“, empörte sich die grüne Berliner Spitzenkandidatin, die für das große Interesse der Presseleute gestern ohnehin nicht soviel Verständnis hatte: „Ich komme mir ja vor wie bei einem Treffen mit Chruschtschow“, witzelte sie. Dabei war der Anlaß zum Pressefoto tatsächlich nicht so selbstverständlich, wie Fischer es gerne vermittelt hätte: Immerhin trat sie auf eigenen Wunsch zum ersten offiziellen grünen Antrittsbesuch beim Standortkommandeur der Bundeswehr an.

Knapp zwei Stunden steckten Fischer sowie zwei weitere Grüne mit dem ranghöchsten Soldaten der Hauptstadt, Brigadegeneral Hans Helmut Speidel, sowie weiteren Bundeswehrvertretern in der Julius-Leber-Kaserne die Köpfe zusammen. Gesprächsthema: das am 10. Juni geplante öffentliche Rekrutengelöbnis vor dem Roten Rathaus. „Wir wollten einfach nicht nur in der Gegnerschaft verharren“, erklärte Fischer das Treffen. Mit einem grünen Annäherungskurs an die Truppe hätte das aber nichts zu tun. Und auch nicht mit dem jüngsten Treffen des Grünen-Parteichefs Trittin mit Offizieren in der Oberpfalz. Man hätte der Bundeswehr einfach nur mal die grüne Haltung zum öffentlichen Gelöbnis darlegen wollen. Und außerdem seien die Grünen ja für ihren „kritischen Dialog“ bekannt.

„Kritisch“ ging allerdings vor allem der Brigadegeneral ins Gespräch. Er sei froh, endlich mal wieder „Überzeugungsarbeit in eigener Sache zu machen“. Speidel begann zu erklären, daß durch Gelöbnisse alle Bürger begreifen, daß die Soldaten „unsere freiheitliche Grundordnung tapfer verteidigen“. Am Gelöbnis sei auch wegen des „wertvollen Bekenntnisses zu unserer Verfassung“ festzuhalten. „Wir brauchen Bilder, um die abstrakte Verfassung erfahrbar zu machen.“ Sprach's und gab Andrea Fischer das Wort. Die konnte sich ein verschmitztes Lächeln ob soviel Traditionsliebe kaum verkneifen. „Wir wollen andere Bilder, als das Militär nur zu Wahlkampfzwecken zur Schau zu stellen“, sagte sie. Die Rolle der Bundeswehr werde in Zeiten, „in denen wir von Freunden umzingelt sind“, eher abnehmen. „Jedenfalls wollen wir das so.“ Deshalb sei am 10. Juni von den Grünen ein Friedensfest geplant, das der Brigadegeneral jedoch prompt als „überflüssig“ ablehnte. „Die Bundeswehr ist doch dazu da, um Frieden zu erhalten“, schloß er die „kritische“ Debatte.

„Er hat uns nicht überzeugen können“ und „Ich bleibe dabei: Wir brauchen öffentliche Gelöbnisse“ lautete denn auch das kaum überraschende Gesprächsfazit. „Es war eine wahre Freude“, verabschiedete sich die Grüne flugs. Und nahm die Erkenntnis mit nach Hause, „daß es doch sehr unterschiedliche Denkweisen gibt“. General Speidel „freute“ sich unterdes über das Gespräch und nahm dankend das grüne Wahlprogramm entgegen. Ob weitere Abrüstungstreffen folgen, blieb gestern offen. Aber Andrea Fischer ließ schon unmißverständlich wissen: „Ich hoffe nicht, daß es noch so viele öffentliche Gelöbnisse geben wird.“ Katja Ubben