Bundestag ächtet Klitorisbeschneidung

■ Künftig sollen Frauen, die aus Angst vor einer genitalen Verstümmelung aus ihrem Heimatland fliehen, Aufenthaltsrecht in Deutschland erhalten. Der Entschließungsantrag wurde von allen Fraktionen unterstützt

Bonn (taz) – 130 Millionen Frauen sind weltweit an ihren Genitalien verstümmelt, schätzt das Kinderhilfswerk Unicef der Vereinten Nationen, jährlich kommen demnach 2 Millionen hinzu. Der Bundestag hat gestern einstimmig diese Praxis geächtet. Durch die von allen Fraktionen gemeinsam getragene Empfehlung soll in der Praxis ein Aufenthaltsrecht für die betroffenen Frauen in Deutschland erwirkt werden.

Grundlage für das Votum des Bundestages war eine fraktionsübergreifende Beschlußempfehlung des Frauen- und Familienausschusses. Darin forderten die Abgeordneten Ilse Falk (CDU), Heidemarie Lüth (PDS), Hanna Wolf (SPD), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne) und die Ausschußvorsitzende Edith Niehuis (SPD) die Bundesregierung auf, die „genitale Verstümmelung an Mädchen und Frauen in der praktischen Anwendung des Ausländerrechtes und des Asylrechtes als Menschenrechtsverletzung zu berücksichtigen“.

Außerdem soll in den Länderberichten der Botschaften an das Auswärtige Amt künftig auch die Praxis der Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane beschrieben werden, um Entscheidungsträgern in Deutschland den Zugang zu Informationen zu erleichtern. Die Zahl der Frauen, die aus Angst vor einer Genitalverstümmelung oder weil sie ihre Töchter davor bewahren möchten, nach Deutschland fliehen, ist nach Schätzungen des Frauen- und Familienausschusses bisher äußerst gering gewesen.

Die SPD-Abgeordnete Ulla Schmidt, Vorsitzende der Querschnittsgruppe Gleichstellung von Frau und Mann, feierte den Beschluß des Bundestages als „Einstieg in frauenspezifische Asylgründe“. Es sei jetzt klargeworden, daß es außer politischer Verfolgung auch noch andere Gründe für ein Asylgesuch gebe. Wenn der Staat das Recht auf die körperliche Unversehrtheit seiner Bürgerinnen nicht garantieren könne, sei dies ein Asylgrund.

Nach geltendem Recht können Richter schon heute Frauen, denen eine Genitalverstümmelung droht, ein humanitäres Bleiberecht gewähren. Diese Genehmigung wurde allerdings bisher nur ein einziges Mal einer Asylbewerberin aus Elfenbeinküste erteilt, und zwar im vergangenen Jahr vom Verwaltungsgericht in Magdeburg. „Aus Furcht vor möglichem Mißbrauch können wir den Frauen eine Einzelfallprüfung nicht ersparen“, meint Ilse Falk. Die CDU-Abgeordnete hatte sich angesichts der „sehr guten und ernsthaften Zusammenarbeit“ zwischen den Abgeordneten aus dem Frauen- und Familienausschuß eigentlich auf einen Rüffel aus dem Innenministerium gefaßt gemacht. Doch der blieb aus. „Ich bin angenehm überrascht, es kam keinerlei Kritik“, versicherte sie, „wir haben die Grausamkeit dieser Körperverletzung sehr deutlich gemacht.“

Man schätzt, daß auch in Deutschland bereits 20.000 Frauen von der Beschneidung betroffen sind. „Das Votum des Bundestages ist deshalb ein wichtiges Signal dafür, daß Genitalverstümmelungen in Deutschland verboten sind“, stellt Irmingard Schewe-Gerigk klar. Ärzte, die entsprechende Eingriffe vornähmen, machten sich strafbar. Astrid Prange