Hanse-Kloaken als Goldgruben

Hamburger Stadtentwässerung will Bremer Kanalisation kaufen, um eigene Anlagen besser auszulasten und Arbeitsplätze zu sichern  ■ Von Heike Haarhoff

Städtische Kloaken sind eine Goldgrube. Solange es Menschen gibt, wird Abwasser abzuleiten und zu klären sein. Richtig Geld verdienen mit dem Sielgeschäft läßt sich heutzutage nur, wenn die hochmodernen und kostspieligen Kläranlagen sowie das qualifizierte Fachpersonal ausgelastet sind – sprich ihr Einzugsgebiet groß ist. Die Hamburger Stadtentwässerung (HSE) setzt deshalb auf Expansion: „Wir bemühen uns, im Hamburger Umland Sielnetze zu übernehmen“, erläuterte ihr Sprecher Gerd Eich gegenüber der taz die neue Unternehmensstrategie.

Deren Kernpunkt soll der Kauf der Kläranlagen sowie der Nutzungsrechte an der 2300 Kilometer langen Kanalisation des Landes Bremen sein. Eich: „Wir haben uns auf die Interessentenliste bei einem Bremer Bankhaus eintragen lassen.“ Bereits Anfang des Jahres hatte die HSE (5300 Kilometer Sielnetz) einen millionenschweren „Vertrag über die komplette Kanalreinigung und -unterhaltung“ der Stadt Reinbek geschlossen.

Spätestens zum 1. Januar 1999 will jetzt die von Vulkan-Werftenpleite, hoher Arbeitslosigkeit sowie einem mageren Länderfinanzausgleich gebeutelte Hansestadt Bremen den Abwasserbereich der stadteigenen Entsorgungsbetriebe (BEB) versilbern. Nicht, weil das Unternehmen mit 550 Beschäftigten marode wäre, sagt BEB-Sprecher Friedhelm Behrens: Die Hansestadt an der Weser ist schlicht pleite. Selbst die Müllverbrennungsanlage hat Bremen unlängst zu 100 Prozent an Private verscherbelt und damit den Einfluß auf die Abfallpolitik aufgegeben. Jetzt ist das Abwasser dran: Lediglich eine Sperrminorität von 25,1 Prozent will die Stadt, der weiterhin die Daseinsvorsorge obliegt, sichern.

Die Hamburger – sollten sie sich gegen die in Bremen als Favoritin gehandelte Bietergemeinschaft aus Bremer Stadtwerken und Gelsenwasser AG durchsetzen – erhoffen sich vor allem „Synergieeffekte“: Fachpersonal, Spezialfahrzeuge, Technologien könnten effizienter eingesetzt werden, neue Märkte im Abwasserbereich und bei Klärschlammfragen ließen sich erschließen. Die Arbeitsplätze der 1300 Hamburger Beschäftigten wären sicherer als bisher: Denn auch die HSE muß Personalkosten einsparen. „Die Abwassermengen gehen zwar zurück, weil die Leute weniger Wasser verbrauchen“, weiß Eich. Aber: „Damit gehen nicht automatisch unsere Kosten zurück; die Anlagen sind ja da.“

Profitieren würden auch die privaten Haushalte: Die Gebühr von 5,04 Mark pro Kubikmeter Abwasser werde sich auch künftig höchstens „im Rahmen der allgemeinen Preissteigerungsrate erhöhen“.

Daß ausgerechnet die HSE, eine Hamburger Anstalt des öffentlichen Rechts, das Bremer Sielnetz aufkaufen will, findet Eich keineswegs verwunderlich: „Auch als stadteigenes Unternehmen müssen wir wirtschaftlich arbeiten.“ Im übrigen, bestätigen Staatliche Pressestelle, Finanz- und Umweltbehörde, stehe die HSE „nicht vordringlich zum Verkauf “.

Denn dazu müsse die Kanalfirma erstmal Gewinne abwerfen. Bei einem Umsatz von 584 Millionen Mark erzielte das Unternehmen 1997 zwar einen Gewinn von 79 Millionen, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch ist die notwendige Sanierung des 150 Jahre alten Sielnetzes längst nicht abgeschlossen.