Schwarze Weste

■ Südafrikas regierender ANC streitet mit der Wahrheitskommission über deren Bericht

Johannesburg (taz) – Ende dieses Monats muß Südafrikas Wahrheitskommission ihren vorläufigen Abschlußbericht vorlegen. Doch jetzt ist ein so heftiger Streit zwischen der Kommission und dem regierenden „Afrikanischen Nationalkongreß“ (ANC) unter Präsident Nelson Mandela entbrannt, daß der Termin gefährdet ist. Wie die Wochenzeitung Weekly Mail & Guardian gestern berichtete, ist der ANC nicht damit einverstanden, daß Parteimitglieder im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen genannt werden.

Die Arbeit der Wahrheitskommission unter Vorsitz von Erzbischof Desmond Tutu ist seit Ende Juli eingestellt. Ihr Abschlußbericht muß laut geltendem Gesetz öffentlich gemacht werden. Darin kann sie auch Empfehlungen abgeben, daß gegen einzelne Personen ermittelt wird oder sie vor Gericht gestellt werden.

Die ehemalige Befreiuungsbewegung hat nun, noch ehe der Bericht fertiggestellt ist, eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe eingerichtet, um einen Gegenentwurf zu formulieren. Ein vom ANC gewünschtes Treffen in der Sache hat die Kommission gestern abgelehnt. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, als bevorzugten wir die Regierungspartei“, sagte der Chefermittler der Kommission, Dumisa Ntsebeza, gegenüber der taz.

Der Streit mit der Wahrheitskommission ist nicht neu. Bis heute sind die meisten ANC-Mitglieder der Ansicht, daß Verbrechen, die im Namen des Befreiungskampfes begangen wurden, moralisch weniger schwer wiegen als die Verbrechen des Apartheid-Regimes. Diesen Unterschied darf die Kommission aber ihrem Auftrag gemäß nicht machen.

Wie die meisten anderen südafrikanischen Parteien hat der ANC vor der Kommission eine Eingabe gemacht. Darin werden auch detailliert Verbrechen in den ehemaligen ANC-Exillagern beleuchtet, und die Partei entschuldigt sich für im Namen des Befreiungskampfes begangene Verbrechen an Unschuldigen. Zwar zeigte sich der ANC hier weitaus kooperativer und schuldfähiger als etwa die Nationale Partei. Doch daß seine Mitglieder Amnestie beantragen sollten, wollte man lange Zeit nicht einsehen. Erst als Tutu mit seinem Rücktritt drohte, beantragte die Parteispitze kollektiv Amnestie – und bekam sie auch bewilligt. Das allerdings verstößt gegen das Gesetz, denn Amnestie können nur Einzelpersonen beantragen, nicht die Partei als Ganze. Die entsprechende Entscheidung des für Amnestierung zuständigen Ausschusses mußte per Gerichtsentscheid wiederaufgehoben werden. Kordula Doerfler