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Nur Monarchen glänzen

■ Positive SPD-Bilanz nach einem Jahr Rot-Grün. Wenn nur das Volk nicht wäre

Es ist das Volk, das Hamburgs SPD „mit großer Sorge“ erfüllt“. Für den sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, Holger Christier, ist die Einführung von Bürgerentscheiden durch die Volksabstimmung am 27. September der einzige Wermutstropfen einer ansonsten „positiven Bilanz“ nach einem Jahr Rot-Grün in Hamburg.

Die Koalition habe sich als „gut funktionierendes Bündnis erwiesen – und das hatte am Anfang ja nicht jeder erwartet“, resümmierten gestern Christier und seine Vizes Petra Brinkmann und Walter Zuckerer. Die Arbeitsmarktpolitik, die Arena im Volkspark, die Flughafenerweiterung, die Initiativen für Sicherheitspartnerschaften in den Stadtteilen und eine allen Sparzwängen zum Trotz „mehr als vorzeigbare Jugend- und Schulpolitik“ seien sozialdemokratische „big points“, mit denen man sich sehen lassen könne.

Die Zusammenarbeit mit der GAL verlaufe „korrekt“, so Christier, nicht zuletzt, weil Sozialdemokraten und Grüne ein „routiniertes Krisenmanagement“ entwickelt hätten. Ausdrücklich lobte die SPD-Fraktionsspitze den Koalitionsvertrag. Der trage nicht nur „eine unverkennbare rote Handschrift“, er sei gerade bei Streitfragen wirksam: „Dann gucken wir, was da drinsteht, und schon ist mancher mögliche Konflikt weg.“

Nur beim Thema Volksgesetzgebung habe das nicht so recht funktioniert. Das war, gab Christier zu, „der bislang schärfste Konflikt“. Alle Bemühungen um „Solidarität und soziale Verbesserungen“ in Hamburg könnten im Zweifel mit Bürgerbegehren torpediert werden. Dennoch stehe die SPD dazu, das Ergebnis der Volksabstimmung „zu respektieren“ und die in der Landesverfassung vorgesehenen Hürden für Volksabstimmungen zu senken. Was danach in der Praxis geschehe, müsse man sehen. Vielleicht käme es ja dazu, munkelte Christier, „daß wichtige gesellschaftliche Gruppen, zum Beispiel die Kirchen“ bei Abstimmungen ihre Stimme „im Sinne der Toleranz“ erhöben und dazu beitrügen, das Schlimmste zu verhindern.

Dem von CDU-Opposition und Springer-Blättern in jüngster Zeit häufig erhobenen Vorwurf, der rot-grüne Senat sei glanzlos und langweilig, begegnete der Oberstudienrat (Germanistik und Geschichte) mit historisch-sozilologischem Fachwissen: „Glanz bei leeren Kassen gibt es nur bei Monarchen. Und zwar kurz vor einer Revolution. Und die wird es in Hamburg nicht geben.“ Sven-Michael Veit

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