Es ist hell in der Munich Machine

■ Der süddeutsche Womanizer DJ Hell kehrt mit 36 Jahren Berufsjugendlichkeit und Lokalpatriotismus den Rücken

Fein aufgereiht am roten Lederbändchen hängen die vier magischen Silberbuchstaben und schmiegen sich in die Halskuhle des Mannes, der momentan keinen Phototermin ausläßt. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen: Jedes Photo des 36jährigen Wahl-Münchners ist sorgfältig arrangiert, jedes Zeichen mit Bedacht inszeniert. Perfekt gestylt präsentiert sich der süddeutsche Womanizer und bringt neuen Glanz ins nationale DJ-Wesen. DJ Hell hat der Berufsjugendlichkeit den Rücken gekehrt, legt gerne im Anzug auf und sorgte für einige Verwirrung auf der letzten Love Parade, indem er mit einem eigensinnigen Set den längst re-staurationsbedürfti-gen Sound von German Techno galant in Vielseitigkeit überführte.

Obwohl sein zweites Album Munich Machine heißt, ist es nicht als lokalpatriotische Spielerei zu verstehen, etwa in Fußballmanier München vs. Berlin, sondern als nationaler Beitrag, der kosmopolitisches Denken als selbstverständlich voraussetzt. Schließlich ist der Umgang mit Referenzen und Retrospektiven das Ergebnis eines kulturellen Gedächtnisses, das über Landesgrenzen hinaus reicht. Wer über ein großes musikalisches Wissen verfügt, wird es auch irgendwann nutzen.

Munich Machine ist der Beweis für einen unverkrampften Umgang mit subjektiven Erfahrungen und allen zur Verfügung stehenden Musik- und Soundzitaten. So beschreibt „For Your Love“ eine vergangene Liebe, „Jack The House“ einen Ausflug in das Chicago der alten Techno-Schule, „Berimbeau“ ein brasilianisches Rhythmus-Instrument, „Warm Leatherette“ eine private New Wave- Erinnerung und „Copa“ eine erfrischende Coverversion des Südsee-Renners „Copacabana“. „Klingt nicht besonders neuartig“, mögen Diskurs-Hipster einwenden. Wenn die leidige Frage um Zuordnungen unbedingt beantwortet werden will, dann vielleicht mit DJ Hell, der behauptet, modern zu sein, und Munich Machine bestätigt das.

Das Album enthält jede Menge tanzbare Tracks, die den gewohnten Techno-Begriff wieder in das erweiterte Feld der elektronischen Musik rücken lassen. Es geht weniger um Markenmeierei, sondern mehr denn je um Haltungen. Und die werden auf die Probe gestellt, wenn DJ Hell in der Roten Flora eine Begegnung von Style und Politik möglich macht.

Claude Jansen Fr, 20. November, 22 Uhr, Rote Flora