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Die Musiker essen noch

■ Das Bremer Günther Späth Quartett aß und spielte in den Weserterrassen

Wer pünktlich kam, war selbst schuld! Um 20 Uhr sollte das Konzert des Günther Späth Quartetts beginnen, doch zu dieser Zeit war im Bürgerhaus Weserterrassen nichts zu bemerken, das irgendwie auf eine Musikveranstaltung hinweisen würde. Die Türen zum Saal waren beide verschlossen, eine Konzertkasse war nicht in Sicht, und die Bedienung im Cafe gab diffuse Hinweise, die sich schnell als falsch herausstellten. Es war eh nur eine Handvoll Narren pünktlich erschienen, und nachdem solche ernüchternden Nachrichten wie „Die Musiker essen noch“ durchsickerten, gingen von den fünf ErstzuhörerInnen gleich zwei wieder. Doch dann gab es plötzlich doch einen Tisch für den Kartenverkauf, die Musiker hatten schneller als befürchtet zu Ende gegessen, und so begann das Konzert vor einem Minipublikum immerhin schon kurz vor halb neun.

Seit etwa zehn Jahren leitet der Bremer Bassist Günther Späth diese Formation, die einen unspektakulären, handwerklich soliden und sehr gefälligen Modern-Jazz zelebriert. Saxophonist Eckhart Petri hatte die Last der meisten Soloimprovisationen zu tragen, und dabei erwies er sich am Sonntag abend als erstaunlich abwechslungsreich und inspiriert. Am nächsten Sonntag ist er übrigens mit seiner eigenen Formation „Cool Position“ plus Strings (whatever that means) im Studio auf den Höfen zu hören. Ein wenig norddeutsch klangen sie alle, mehr kühl als cool, und der Pianist Jens Schöwing glänzte durch hanseatische Zurückhaltung, die seine wenigen solistischen Versuche dafür dann um so beeindruckender wirken ließen. Vielleicht lag es auch nur am Piano – der Klimperkasten der Weserterrassen taugte nun wirklich nicht für virtuose Glanzleistungen, und ein flackender Scheinwerfer verhalf der Band zu einer unfreiwilligen, aber dafür richtig amüsanten Light-show.

Späth selbst klang am besten bei einigen Introduktionen, die er, dezent von Piano und Schlagzeug begleitet, sehr melodiös und beseelt spielte. Hier kam auch sein satter, warmer Ton auf dem Kontrabaß am besten zu Geltung. Entsprechend der eher gedämpften Grundstimmung der Band spielte Schlagzeuger Heinrich Hock mehr mit den Besen als mit den Drumsticks.

Wenn die Musiker mit ihrem Auftritt schnell für die Mißtöne des Anfangs versöhnten, lag dies auch an der geschmackssicheren Auswahl der Songs. Keine altbekannten Standards, statt dessen mit „I fall in love too easily“ eine schöne Ballade, zwei selten gespielte Kompositionen von Woody Shaw und jeweils mehrere Stücke von Charles Mingus und Wayne Shorter. Daß der Bassist Günther Späth gern Songs von dem Baßheroen Mingus spielt (jeweils mit schönen, um den Baß zentrierten Arrangements), ist nicht weiter überraschend. Aber daß die Gruppe mit Wayne Shorter einen der interessantesten und immer noch weit unterschätzen Komponisten hervorhebt, kann nicht laut genug gelobt werden. So waren auch die Interpretationen von drei seiner Songs die Höhepunkte des Konzerts, an denen die Band am organischsten zusammenspielte, und auch die originellsten Soli zu hören waren. Danach gönnte man schließlich auch den Musikern das Abendbrot vor wartendem Publikum.

Wilfried Hippen

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