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Durch verschlossene Türen

■ AK Ochsenzoll: Hatte geflüchteter „Heidemörder“ Helferin?

Alle Türen waren verschlossen, kein Schlüssel fehlte – die Flucht des verurteilten dreifachen Frauenmörders Thomas Holst aus der Geschlossenen Psychiatrie des Ochsenzoller Krankenhauses stellte die Hamburger Polizei zunächst vor ein Rätsel. Doch dann war schnell klar: Der als „Heidemörder“ bekanntgewordene Flüchtling mußte einen Helfer mit Insiderwissen gehabt haben. Der Verdacht fiel auf eine 39jährige Therapeutin, die es nach Aussagen von Klinik-Chef Klaus Böhme in der Vergangenheit „an der notwendigen Distanz“ zu ihren Patienten hat fehlen lassen.

Noch in der Nacht zum Donnerstag wurde die Frau von ihrem Posten suspendiert. Im Polizeiverhör wies sie die Vorwürfe jedoch zurück. Von dem untergetauchten Gewaltverbrecher hatte die Polizei gestern noch keine „heiße Spur“. „Für uns hat sie den Status eines Beschuldigten, das heißt, daß sie im Verdacht steht, Holst bei der Flucht geholfen zu haben“, erklärte gestern Polizeisprecher Werner Jantosch, ohne nähere Angaben über die Vernehmung zu machen.

Bekannt wurde lediglich, daß die Diplom-Psychologin Holst gegen 17.45 Uhr von der Station 2 des geschlossenen Hauses 18 zu einem autogenen Training abgeholt habe. Entgegen den Vorschriften wollte die Frau mit dem als gefährlich eingestuften Holst eine Einzelsitzung abhalten. Normalerweise hätte sie dazu einen männlichen Pfleger mitnehmen müssen. Das zuständige Stationspersonal informierte sie – ebenfalls entgegen den Vorschriften – nicht.

Gegen 18.15 Uhr will die Therapeutin ihren Patienten zurückgebracht haben, Zeugen dafür gibt es aber nicht. Zuletzt wurde Holst beim Abendbrot kurz nach 17.00 Uhr gesehen. Sie habe ihr Vorgehen für „angemessen und hilfreich für Herrn Holst gehalten“, sagte Klinikchef Böhm zum Verhalten seiner Mitarbeiterin.

Holst war am Mittwoch abend durch das Dach einer Turnhalle des Allgemeinen Krankenhauses Ochsenzoll geflohen. Den Ermittlungen zufolge gelangte Holst mit Hilfe eines Seiles, das ein Komplize für ihn in der Turnhalle bereitgelegt haben muß, aus der Turnhalle. Er ist etwa 1,85 Meter groß, mittelblond und war bei seiner Flucht mit einem braunen Jogging-Anzug bekleidet. In der Psychiatrie war er seit Juli 1994 untergebracht.

Der gelernte Graphiker aus der Nordheide hatte zwischen 1987 und 1990 drei Frauen vergewaltigt und anschließend erdrosselt. Für seine Taten war er zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Hans-Jürgen Ehlers

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