■ Staatsbürgerschaftsreklame in der Kritik
: Eine Frage des Lifestyles

Boris Becker macht Reklame für Nutella, Mercedes und die doppelte Staatsbürgerschaft. Thomas Gottschalk für Haribo-Bärchen, für Disney und dafür, daß Türken Deutsche werden dürfen. Marius Müller-Westernhagen macht auf der Bühne den Wilden, in der Presse den Lieben und für die Bundesregierung den Verfassungspatrioten. Die Glaubwürdigsten hat sich Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye da nicht gerade ausgesucht, um dem neuen Staatsbürgerschaftsgesetz die Weihen der guten Gesellschaft zu geben. Aber so ist die Werbung eben: Wenn's nur schön genug gelogen ist, sieht man über vieles hinweg.

Sicher: Die Anzeige ist schön gestaltet, das Bild dezent, der Text abgewogen und die Botschaft luftig: Die Staatsbürgerschaftsreform gut finden ist eine Sache des Lifestyles. Da es zudem der guten Sache dient, kann man über einiges hinwegsehen. Zum Beispiel darüber, daß die Werbung Konservativen sofort Anlaß gab, den gern geschmähten Sozialneidreflex zu wecken: „Millionäre wie Becker, Gottschalk und Müller-Westernhagen“ seien „die falschen Ratgeber für das Volk“, fand CSU-Generalsekretär Goppel, der wohl auch nicht schlecht verdient. Mit so etwas muß wohl rechnen, wer nicht mit Argumenten wirbt, sondern mit Images.

Aber genau das ist das Problem: Schließlich hat das Verfassungsgericht 1977 gesagt, daß die Regierung mit Steuergeldern zwar informieren darf, nicht aber pure Wahlwerbung machen. Wo allerdings der Unterschied liegt, wußten die Richter schon damals kaum zu erklären. Nun hat sich ein Kartell der Scheinheiligen gegen die Anzeige zusammengefunden: Mitglieder der alten Regierung, welche schamlos Regierungsdesinformation in die Radiosender zu drücken versuchte und mit ihrem Journal für Deutschland ganz dumme Propaganda machte, die den Steuerzahler ein Vielfaches mehr kostete als die Anzeige der drei Promis. Aber auch wenn ihre Argumente scheinheilig sind, haben die Vertreter von CDU und FDP, die nun meckern, nicht ganz unrecht. Wenn sie erst die Macht haben, vergessen auch linke Politiker den Anstand, das hat die Regierung schon gezeigt, als sie Posten in der Rundfunkkontrolle rein nach Machtgesichtspunkten besetzte. Die Promi-Anzeige verdient zumindest das Prädikat „nicht ganz koscher“, und Regierungssprecher Heye würde sich nicht so windig herausreden, wäre ihm selbst ganz wohl dabei. Am besten, die Regierung macht gar keine bezahlten Anzeigen mehr. Wer glaubt schon noch der Werbung? Lutz Meier