: Eine Art Gruppenzwang –betr.: „Kriegskredit für Fischer“, taz vom 14. 5. 99
Die Grünen setzen ein Zeichen ... und so sieht es Associated Press (zu lesen in ihrer Web-Seite): „Germany's Greens vote to back NATO airstrikes, rejecting pacifist call for a ceasefire. The vote averts a political crisis that could have shaken
NATO unity and forced Chancellor Gerhard Schroeder to seek a new coalition partner.“
In Italien verlangen 190 Parlamentarier eine Feuerpause, der Staatspräsident spricht sich gegen die Bombardierungen aus. In Deutschland setzt sich eine Partei über ihre eigene Satzung hinweg, die Regierung über die Verfassung. Und warum? Um den Kosovo-Albanern zu helfen? Fraglich, denn erstens haben 50 Tage Krieg deren Situation höchstens verschlimmert. Zweitens werden von der Nato Milliarden „zur Bestrafung von Milosevic“ (nicht der Serben, laut Nato) aufgewendet, doch die Flüchtlinge werden auf beschämende Weise in ihrem Elend mit ein paar Millionen abgespeist. Drittens ist mit der Tötung von über 1.000 Serben, der Zerstörung der Infrastruktur im Kosovo und in ganz Jugoslawien, der Unterstützung der UÇK, der Schwächung der serbischen Opposition, der internationalen Umweltverseuchung und der Handelskrise im Balkan sicher nicht eine Basis für ein friedvolles Zusammenleben und Stabilität im Balkan gefördert worden.
[...] Eine falsche Einschätzung der Folgen sowie die Tarnung der Kanonenpolitik als „humanitäre Hilfsaktion“ mit einer einhergehenden Verleumdung von Kriegsgegnern als Milosevic-Freunden haben sicherlich viele, die ein wahres Interesse am Wohlergehen des Kosovo haben, irregeleitet. Doch die Zeit des Erwachens ist längst vorüber. Was jetzt?
Es ist natürlich schwer, Fehler einzugestehen – besonders für Politiker. Zudem ist sowohl von der Nato als auch unter den Regierungen einiger Nato-Länder seit Kriegsanfang eine Art Gruppenzwang zu erkennen: Wer nicht mitspielt, ist ein Spielverderber, wenn nicht gar ein Verräter – was manch einen doch manchmal an der propagierten Demokratie und freien Presse im Westen zweifeln läßt. Doch das Spiel hat einen hohen Preis: Besonders die Kosovo-Albaner und Serben, bzw. andere dort lebende Volksgruppen haben eine noch schwärzere Zukunft als zuvor vor sich. Die UN wurde zum Zuschauer deklassiert. Alte Feindseligkeiten zwischen den Großmächten sind wieder aufgebrochen, und Radikale werden versuchen, daraus Kapital zu schlagen.
Nicht zuletzt für die mehr materialistisch Eingestellten: Irgend jemand muß nicht nur für die Bomben, sondern auch für die Beseitigung der Scherben bezahlen. Von der Arbeitslosenrate in Deutschland wird zwar abgelenkt, doch mit dem Krieg wird sie sicher nicht gesenkt. (Die Zahl derjenigen, die gezwungen sind, sich in Deutschland eine finanzielle Existenz zu suchen, auch nicht.)
Die Grünen haben Solidarität mit Fischer gezeigt, jener zur Regierung und Deutschland zur Nato. Außerdem dürfen manche Politiker zeigen, daß sie genauso gut Krieg führen können wie ihre konservative(re) Opposition! Armin Gamper, New York, USA
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