: Drei Eminenzen des Cocktail-Jazz
■ „The Caribbean Jazz Project“ spielte im KITO gepflegten lateinamerikanischen und afro-cubanischen Jazzrock
Die Zeiten, in denen der feinpolierte Jazzrock aus Südkalifornien so en vogue war, dass man ihn in feinen Bars zu jedem guten Cocktail mit eingeschenkt bekam, sind passé. Mit Kenny G. kippte die ganze Chose endgültig ins Banale, und die besseren Musiker wie David Sanborn kehrten reumütig zu ihren Jazz- oder Blueswurzeln zurück.
Aber noch gibt es genug brilliant spielende Studiomusiker in und um Los Angeles, und einige davon haben eine Art Selbsthilfegruppe gegründet: „The Caribbean Jazz Project“. Der Gitarrist Steve Khan und der Vibraphonspieler Dave Samuels gehörten zu den Stars des West-Coast-Easy-Listening-Jazz, und der Flötist Dave Valentin war wohl der vielbeschäftigste Studiomusiker an seinem Instrument. Die drei sind die Frontmen dieses Project, das sich auf die lateinamerikanische und vor allem afro-cubanische Variante des Jazzrocks festgelegt hat.
Wer die Chefs sind, war bei ihrem Auftritt im KITO eindeutig bei einem Stück im zweiten Set des Konzerts festzustellen: Khan und Samuels beschlossen, welches Stück als nächstes gespielt wurde, und Valentin verließ leise schimpfend die Bühne, denn er durfte in den nächsten Minuten nicht mitflöten.
Dabei war er im Grunde der aufregenste Solist des Konzerts. Bei Khan und Samuels saß natürlich jeder Ton, aber ihre Virtuosität war schon so routinert, dass sie nie wirklich mitriss. Sie gehören zu den Meistern an ihren Instrumenten und lieferten halt solides Handwerk. Dave Valentin konnte dagegen mit seinem Latino-Temperament das Publikum auf seine Seite ziehen.
Die Flöte ist ja nun wirklch kein expressives Instrument, aber so wie Valentin es bließ, überbließ, umbrummte, seinen Ton mit Echos und Hall verfremdete, war beeindruckend. Die Eleganz, mit der er sein Instrument in den lateinamerikanischen Kontext integrierte, erinnerte stark an Herbie Mann. Und so abenteuerlustig, dynamisch und ausdruckstark hat sonst nur Rahsaan Roland Kirk seine Flöten geblasen.
Meist spielte die Band – die drei wurden von einem genau eingestimmten Trio an Bass, Drums und Congas unterstützt – wie eine fehlerlos laufende Rhythmusgruppe. Die Eigenkompositionen von Samuels und Khan waren nur Konfektionsware, wie man spätestens dann merkte, als sie Klassiker wie „Footprints“ von Wayne Shorter oder „Little Sunflower“ von Freddie Hubbard interpretierten.
Wirklich unterhaltsam wurde das Konzert aber immer dann, wenn die Technik nicht funktionierte. Man konnte sich darauf verlassen, dass immer, wenn gepflegte Langeweile sich breitzumachen drohte, eine Rückkopplung in das Arrangement fuhr, ein technisches Gerät auf der Bühne zu piepen begann, oder der Ton von der Flöte ganz verschwand. Dies entwickelte sich zu einem Running Gag, denn ein guter Entertainer nicht besser hätte arrangieren können. Als Höhepunkt suchten schließlich alle Musiker minutenlang nach einem knarzigen Brummen, das erklang, wenn der Bassist eine bestimmte Saite anschlug. „El monitor“ wurde schließlich als Quelle dieses „new sounds“ entdeckt und gewürdigt.
Ob die Musiker allerdings merkten, um wieviel aufregender (und somit auch besser) der Auftritt durch ihre fehlerhafte Elektronik wurde, muß bezweifelt werden.
Wilfried Hippen
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