: Obrigkeitshörige PDS
betr.: „Zündeln am Pulverfass“, taz vom 11. 1. 00, „Demoverbot nach Attentatsdrohung“, taz vom 10. 1. 00
So einfach ist es noch nie gewesen, dass über 100.000 Menschen anziehende Gedenken an Karl und Rosa und das damit einhergehende größte Treffen der Linken in der BRD zu verbieten.
[...] Die Polizei hat die Fakten seit langem und entschließt sich plötzlich – am Samstag – die Demonstration und die Ehrung zu verbieten. In Übereinstimmung – man höre und staune und glaube es kaum – mit der Führung der PDS!
[...] Dass Demonstrations- und Ehrungsteilnehmer selbst die Verantwortung für sich übernehmen könnten und wollten, darauf kommt die sozialistische Politikerin Petra Pau nicht. Es muss eben immer – wie in alten Tagen – für und über die Massen gedacht werden.
Die Polizeiführung ist darüber hoch erfreut – mit so viel linker Hilfe hatte sie wahrscheinlich nicht im Traum gerechnet – und setzt dieses Verbot mit allen polizeilichen Mitteln „zum Schutz der Unversehrtheit der DemonstrationsteilnehmerInnen“ (O-Ton Polizeipräsident Saberschinsky) prügelnd und verhaftend zwischen Platz der Vereinten Nationen und Karl-Marx-Allee im Bezirk Berlin-Friedrichshain durch.
So werden Maßstäbe fürs neue Jahrtausend gesetzt. Die PDS-Führung hat der Sache der emanzipatorischen sozialistischen Linken durch ihr überkommenes Fürsorge- und Leitenwollen-Gehabe einen Bärendienst erwiesen und viele jüngere Linke von einem Engagement für sozialistische Politik abgeschreckt.
Gut, dass wenigstens drei PDS-Prominente, der stellvertretende Parteivorsitzende Diether Dehm und der Bundestagsabgeordnete Carsten Hübner sowie Sahra Wagenknecht durch ihre Anwesenheit die spontane, von Mitgliedern des VVN-Bund der Antifaschisten angeführte Demonstration empörter Sozialistinnen und Sozialisten unterstützt haben.
Rüdiger Deißler, Prenzlauer Berg
[...] Die Love Parade wurde dieses Jahr trotz Bombendrohung nicht abgesagt oder verboten, und diese Veranstaltung mobilisiert weitaus mehr Personen als diese LLL-Demonstration. Die PDS-Führung hat sich hier als sehr obrigkeitshörig enttarnt, da sie dem Verbot sofort zustimmte und die Demo verlegt hat. [...] Viele verschiedene linke Gruppierungen und Parteien sind von weit her angereist, um Karl und Rosa zu gedenken. Es war klar, dass sich die Leute nicht von einem solchen Verbot abhalten lassen würden. [...]
Die Demo wurde verboten und somit illegal, die Polizei konnte ihr überhartes Eingreifen damit rechtfertigen, die Medien konnten sich über die 8.000 illegalen Demonstranten hermachen und sie als „Märtyrer“ (welch Unsinn) deklarieren, die Radau machten und sich daneben benahmen, was sich ja anhand der Festnahmen erkennen lässt. Die Berliner PDS hat sich die unliebsame Konkurrenz aus dem linken Spektrum vom Halse gehalten und kann sich am nächsten Demotermin als einziger Retter der gesamten Veranstaltung in die Öffentlichkeit rücken. [...] Sven Heuchert, DKP Siegburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen