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Verbindung mit den Ahnen

■ Statt auf Mobiltelefone setzen indianische Medizinmänner auf Tabak zur Kontaktaufnahme / In Huntlosen lehren sie die Konversation mit den Vorfahren

Fast ein Querschnitt durch die Gesellschaft hat den Weg ins Oldenburger Kulturzentrum PFL gefunden: Menschen zwischen 20 und 60, die Frauen nur wenig in der Überzahl. Natürlich finden sich bei einer Veranstaltung über indianische Spiritualität mehr Kapuzenpullis, Halstücher und gewagte Farbkombinationen als in einer Bankfiliale, und auch einer der letzten jungen Männer mit der original Mohawk-Frisur (fälschlicherweise immer wieder als „Irokese“ bezeichnet) ist dabei. Aber die meisten könnten Ihre Nachbarn sein. Aus irgendeiner Jackentasche schrillt sogar ein Telefon. Diese Gelegenheit, ein gängiges Stereotyp zu bedienen, lässt sich Medizinmann Three White Buffalo Calves alias Paul A. Daniels nicht entgehen: „Wenn alle ihre Mobiltelefone abschalten“, sagt er, „werdet ihr sicher nach Hause kommen, ohne skalpiert zu werden“.

Ansonsten sind die Gäste aus dem kanadischen Alberta nicht zum Scherzen gekommen. Daniels und sein Schüler Devalon Small Legs sitzen wie das Publikum auf dem Boden und erzählen in gemessenen Worten über ihre Verbindung zu ihren Ahnen und ihre Heilmethoden. Ein wenig erinnern sie an den späten Wolfgang Neuss mit ihren langen dunklen Haaren und spärlichen Zähnen. Mit dem deutschen Ur-Sponti teilen sie auch eine Passion: Die beiden Medizinmänner rauchen unaufhörlich. Eine esoterisch vorgebildete Zuhörerin fragt irritiert: „Wie können Medizinmänner die ganze Zeit rauchen, obwohl das doch ihr Energiefeld zerstört?“ Die Antwort ist einfach: „Den Tabak hat uns unser Schöpfer gegeben. Wenn wir rauchen, sprechen wir mit ihm. Ohne Tabak geht das nicht“, sagt Devalon vom Stamm der Blackfoot.

Und wer unter den Anwesenden würde das nicht auch gern können? Eine Frau hat die Sorge um ihre Kinder hergetrieben: Wie können sie zur Spiritualität erzogen werden, wenn es an spirituellen Führern mangelt? Die Medizinmänner machen ihr Mut: „Jeder kann Kraft und Weisheit erlangen, wenn er auf seine Vorfahren schaut“, sagt Devalon. Wer zum Heiler geboren sei, könnten sie allerdings nicht sehen: „Der Schöpfer versteckt seine Leute. Erst wenn wir genug gelitten haben, zeigt er uns im Traum den Weg“, weiß Daniels.

Genug geredet, findet irgendwann eine Frau: Sie möchte die Medizinmänner lieber noch einmal in ihrer Muttersprache singen hören. Dabei hatte sie schon vorher „so eine starke Energie gefühlt“. Da werden alle wieder daran erinnert, dass wir im 21. Jahrhundert leben: Das nächste Lied kostet 100 Mark, als Rap-Version noch mehr, sagt Daniels. Nachher macht er es doch umsonst, und obwohl schon vorher der Rauchmelder losgegangen war, zirkuliert zum Schluss die obligatorische Friedenspfeife. Wer auf den Geschmack gekommen ist, kommt am Wochenende ins Aussteiger-Dorf Huntlosen. Dort bieten die spirituellen Gäste eine traditionelle „Schwitzhütte“ und zusätzlich eine Nachtzeremonie an – zu Preisen zwischen 100 und 400 Mark. Schließlich müssen auch Medizinmänner ihre Familien ernähren. Wer ein konkretes Leiden behandeln lassen will, muss noch ein wenig drauflegen: „Je größer die Gabe, desto besser die Heilung“, erklärt Daniels die Preisliste. Auf keinen Fall fehlen dürfen aber ein Beutel Tabak und ein Stück Stoff.

Ihre Erfahrungen mit den Deutschen seien gut, sagen die Meidzinmänner, die schon zum zweiten Mal im Land sind: Obwohl sie gelegentlich gegen Karl-May-Klischees ankämpfen müssten, fänden sie bei den Deutschen immer sehr viel Respekt für die indianische Kultur. Auch Spiritualität sei durchaus vorhanden. Sie wollen den Deutschen deshalb auch nichts beibringen, sondern allenfalls Anregungen geben. Auch ihre ehrenamtliche Dolmetscherin Meike Luetkens will sich nicht die indianische Kultur aneignen, sondern Quellen der Spiritualität in der eigenen Kultur entdecken. Da schließt die Esoterik-erfahrene Geschichtsstudentin auch das Christentum nicht aus, obwohl sie aus der Kirche ausgetreten ist.

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